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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Karl – Charlemagne – Der Große

„Last Minute“ der Aachener Ausstellung

Von Renate Feyerbacher

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Büste Karls des Großen in der Aachener Domschatzkammer; © Domkapitel Aachen, Foto: Andreas Herrmann

Nur noch bis Sonntag, 21. September 2014, ist die beeindruckende Ausstellung über Macht, Kunst und Schätze in Aachen zu sehen. Sie ist über drei Orte verteilt, die nahe beieinander liegen: im Rathaus, im Centre Charlemagne und in der Domschatzkammer.

In der Schule haben wir alle von ihm, Kaiser Karl dem Großen, gehört, aber gewusst wenig oder gar nichts. Das Datum 800 n.Chr. war mir immer präsent, auch seine kulturellen, künstlerischen und bildungspolitischen Verdienste. Eine Vorstellung von diesem mächtigen Herrscher erhielt ich aber erst, als ich begann

, in dem über 700 Seiten starken Opus des Frankfurter Historikers und Mediävisten Professor Johannes Fried „Karl der Große. Gewalt und Glaube. Eine Biografie“ zu lesen. Sein gescheiterter Feldzug gegen das Heer der Mauren unter ‘Abd al Rahmân I. war der Anlass.

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Professor Johannes Fried vor Poelzigs Bild „Apokalypse“ in der Goethe-Universität Frankfurt, Foto: Renate Feyerbacher

Der mehrfach ausgezeichnete, mittlerweile emeritierte, aber noch aktive Professor an der Frankfurter Goethe-Universität hat alle historischen Register gezogen. Aus Quellen, Kunstwerken, Indizien, Analogieschlüssen hat er Karl (748 bis 814) und seiner Zeit Kontur gegeben. Eine wichtige Quelle war die einzige zu Lebzeiten des Kaisers geschriebene Biografie „Vita Karoli Magni“ von Einhard (geboren um 770 im Maingau, verstorben 840 in Seligenstadt), der den Kaiser auf vielen Reisen begleitete. In Hessen gründete Einhard die Abteien Michelstadt und Seligenstadt.

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Einleitung der berühmten Biografie Einhards über das Leben und Wirken Karls des Grossen in mittelalterlichem Latein, der damaligen Sprache der Gelehrten, – mit Anmerkungen eines Lateinschülers des Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser, bekannten Namens Erhard Metz in einer heute bereits antiquarisch anmutenden Schulausgabe des Ernst Klett Verlags Stuttgart; Foto: FeuilletonFrankfurt

Karl der Grosse wurde 1165 heiliggesprochen. Warum? Wahrscheinlich, weil er mit Feuer und Schwert das Christentum durchsetzte, denn ein Heiliger war er nicht. Mit grosser Brutalität ging er zum Beispiel gegen die „heidnischen“ Sachsen vor. Tausende sollen auf seinen Befehl hin ermordet worden sein. Widukind, der mehrfach gegen Karl kämpfte, unterwarf sich ihm schliesslich und liess sich taufen.

Karl hatte wahrscheinlich seine Neffen, die ein rechtmäßiges Erbe ihres Vaters Karlemann – das war der jüngere Bruder von Karl – hatten, ermorden lassen. Neben seinen fünf Ehefrauen, die er wenig respektvoll behandelte, hatte er noch Nebenfrauen und zahlreichen Nachwuchs. Aber er war der „Einiger“ Europas. Seine kulturellen und bildungspolitischen Massnahmen waren vorbildlich. Die lateinische Sprache wurde zur Grundlage für die Schriftkultur. Klosterschulen, die er aktiv förderte, waren die Träger dieser Kulturbewegung.

Aachen wurde zum Ruhepohl des fränkischen Reisekönigs. Hier liess er sich um 800 seine Lieblingspfalz bauen, von der noch Teile zu sehen sind. Aachen wurde zum wirkungsmächtigsten kulturellen Zentrum Europas. Mit dem 1949 begründeten internationalen Karlspreis zu Aachen werden alljährlich Persönlichkeiten geehrt, die sich um die Einheit Europas besonders verdient machten.

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Aachener Dom, Foto: Renate Feyerbacher

Der Aachener Dom wird Kirche Karls des Großen genannt. Hier steht in der Apsis der Karlsschrein mit Karls Gebeinen.

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Karlsschrein – Ansicht Stirnseite © Domkapitel Aachen, Foto: Ann Münchow

Herzstück des Heiligtums ist das Oktogon, das um 800 mit der Kuppel vollendet wurde. Im 14. bis 15.Jahrhundert folgten der Bau der gotischen Chorhalle und Kapellen, im 18. Jahrhundert der Portalvorbau und im 19.Jahrhundert wurde der Turm vollendet.

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Oktogon; Foto: Renate Feyerbacher

Zwischen 936 und 1531 wurden hier 30 Könige und 12 Königinnen gesalbt, gekrönt und inthronisiert – und das auf dem schlichten Marmorthron Karls, der im Obergeschoss des Domes steht.

Die Domschatzkammer, die einen der bedeutendsten Kirchenschätze Europas karolingischer, ottonischer, staufischer und gotischer Zeit beherbergt, hat für die Ausstellung sakrale Kunstwerke zurück geholt, die einmal zum Domschatz gehörten

Das Centre Charlemagne ist ein Muss des Ausstellungsmarathons. Was hier zu sehen ist, wird nicht so schnell wieder zu sehen sein.

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Tassilokelch, nach 763 und vor 788, © Kremsmünster, Benediktinerstift, Foto: Josef Leithner

Zum Beispiel der Tassilokelch, der zwischen 763 bis 788 geschaffen wurde. Seine Grösse lässt vermuten, dass er für viele Gläubige bei Eucharistiefeiern sichtbar sein sollte. Gestiftet wurde er vom bayerischen Herzog Tassilo III. „Tassilo starker Herzog“ heisst die Inschrift auf dem Fuss des Kelches. Tassilo hatte die Herrschaft des fränkischen Königs Pippin, dem Vater Karls des Grossen, anerkannt. Tassilo wehrte sich aber gegen Karls Machtansprüche. Dieser liess ihn absetzen und verbannen. Der Kelch aus vergoldetem Kupfer ist bebildert unter anderem mit Christus als Weltrichter. Bisher verliess der Kelch, im Besitz des Benediktinerstifts Kremsmünster in Oberösterreich, das Tassilo 777 gründete, nur einmal das Stift anlässlich der Eucharistiefeier mit Papst Johannes Paul II. in Salzburg. Es soll eine Abstimmung unter den Mönchen gegeben haben, ob der Tassilokelch ein weiteres Mal das Kloster verlassen sollte. Die Mönche machten es möglich, dass mittlerweile schon über 100.000 Besucher in Aachen dieses karolingische Kleinod sehen konnten.

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Ausstellung im Centre Charlemagne: Karl der Große aus der Sicht verschiedener Bildhauer; Fotos: Renate Feyerbacher

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30 weitere einzigartige karolingische Kunstwerke werden gezeigt. Dazu gehören illuminierte Prachthandschriften, Elfenbeintafeln sowie Silber- und Goldschmiedearbeiten, die im Zuge der „karolingischen Renaissance“ entstanden sind, viele davon an der Aachener Hofschule.

Eine weitere sensationelle Kostbarkeit aus Elfenbein ist der Einband des Lorscher Evangeliars, dessen vorderer Teil sich heute im Londoner Viktoria und Albert-Museum befindet; den hinteren Teil verwahrt die Biblioteca Apostolica Vaticana.

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Einband des Lorscher Evangeliars (vorderer Einband: Marientafel), um 810, © London, Victoria and Albert Museum

Auch das bebilderte Evangeliar selbst aus Pergament ist heute im Besitz des Vatikans. Nur ein Faksimile wird ausgestellt. Das Elfenbeinrelief mit Kreuzigung Christi und Passionsszenen, das sich heute im Kathedralschatz des französischen Narbonne befindet, begeistert durch seine Feinheit und seinen Ideenreichtum der Ikonografie. Wie das Lorscher Evangeliar ist es eine Arbeit aus der Aachener Hofschule Karls des Großen um 800.

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Aachener Rathaus; Foto: Wolf Meusel/wikimedia commons

Im Krönungssaal des Aachener Rathauses setzt sich die Ausstellung mit den Orten der Macht auseinander. Auch hier sind wunderbare Exponate zu sehen. Virtuell wird vieles aufgearbeitet, nachempfunden. Die Karlsfresken von Alfred Rethel, acht Wandfresken hatte er geplant, vier wurden zwischen 1847 bis 1851 vollendet, werden in die virtuelle Präsentation einbezogen.

Johannes Fried hat darauf hin gewiesen, dass über Sprach- und Ländergrenzen hinweg die Europäer intellektuell einander verstehen, weil sie dieselbe Rationalität, denselben Denkstil, dasselbe Grundwissen teilen … Karl sei Initiator einer Einheitskultur“ (Kurzführer zur Ausstellung). Er spricht weiter davon, dass die europäischen Kolonisations- und Expansionsbewegungen diese Zivilisation – zwar nicht allein – weltweit geprägt haben. Diese Thesen kann jeder in den Ausstellungsorten, deren Leihgaben aus der ganzen Welt kommen, überprüfen.

„Karl charlemagne der Große – Macht Kunst Schätze“, Aaachen, Krönungssaal Aachener Rathaus, Centre Charlemagne, Domschatzkammer, bis Sonntag, 21. September 2014

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