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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Museum Wiesbaden würdigt das Lebenswerk von K. O. Götz

Mit Pinsel und Rakel auf der Suche nach dem „poetischen Ausdruck im Ungegenständlichen“

Von Hans-Bernd Heier

Im Februar 2014 feierte Karl Otto Götz seinen 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass widmen ihm das Museum Wiesbaden, die Nationalgalerie Berlin und das MKM Museum Küppersmühle für Modere Kunst, Duisburg, eine umfassende Werkschau, um das Lebenswerk dieses außergewöhnlichen Künstlers zu würdigen. „Raum- und konzeptionsbedingt unterscheidet sich allerdings die Wiesbadener Schau“, wie Museumdirektor Alexander Klar betont. Rund 60 Hauptwerke des Malers geben einen Einblick in Götz’ vielschichtiges, nunmehr über acht Jahrzehnte währendes Œuvre. Das älteste in Wiesbaden gezeigte Bild datiert aus dem Jahre 1936 und das jüngste aus 2010.

Wirbelnde, explodierende Formen und zeichenhafte, abstrakte Strukturen – Götz’ Werk ist geprägt von der Suche nach unmittelbarer, freier Form, nach einem „poetischen Ausdruck im Ungegenständlichen“, wie es der Künstler selbst formuliert. „Die Ausstellung möchte den Blick der Betrachter vor allem auf serielle Prozesse lenken, auf Zufälligkeiten, aber auch auf wiederkehrende Bildideen und Rhythmen, die seinen Bildern gleichermaßen Dynamik und Ordnung verleihen“, erklärt Jörg Daur, der stellvertretende Direktor des Wiesbadener Museums. Dabei zeigt sich auch Götz’ Einfluss auf zukünftige Künstlergenerationen, wie auf seine berühmten Schüler Sigmar Polke oder Gerhard Richter.

Als eines der ersten deutschen Museen wandte sich das Museum Wiesbaden ab den frühen 1950er Jahren dem Informel zu. Diese Kunstströmung befand sich damals noch in der Entstehungsphase. Ein Protagonist dieser Bewegung war Karl Otto Götz, der in Wiesbaden bereits 1953 zum ersten Male ausgestellt wurde. Ab dieser Zeit signiert er seine Werke mit K.O. Götz. 1955 zeigte er drei Gemälde in der Ausstellung „glanz und gestalt – ungegenständliche deutsche kunst“, und 1957 war er in der bahnbrechenden Ausstellung „couleur vivante“ abermals in Wiesbaden vertreten. Mit dem Gemälde „Krakmo“ von 1957 besitzt das Museum Wiesbaden eines der schönsten und bewegensten Werke des Künstlers.

Am 22. Februar 1914 wird Karl Otto Götz in Aachen geboren. Schon während des Besuchs der Volksschule beginnt er abstrakt zu malen und zu zeichnen. 1932 verlässt er die Oberrealschule, um Maler zu werden, und besucht die Webeschule und gleichzeitig – ohne Wissen der Eltern – die Kunstgewerbeschule in Aachen. Götz’ erste Werke aus den frühen 1930er Jahren sind vom Expressionismus und dem Surrealismus geprägt, wobei besonders die Arbeiten von Max Ernst, Juan Gris, Wassily Kandinsky, Paul Klee und für kurze Zeit auch Willi Baumeister Einfluss auf ihn ausübten. Es entstanden vor allem kleinformatige Holzschnitte und so genannte „Spritzbilder“, die zwar teilweise noch figürliche Elemente aufweisen, aber bereits informelle Strukturen vorwegnehmen. Obwohl Götz von der Reichskulturkammer in der Nazizeit Mal- und Ausstellungsverbot erhält, arbeitet er heimlich weiter an seiner künstlerischen Konzeption. Da seine Dresdner Wohnung 1945 ausgebombt wurde, sind viele Arbeiten des Frühwerks verloren gegangen.

Bis in die frühen 1950er Jahre versucht Götz sich in verschiedenen künstlerischen Medien: So fertigt er „Luftpumpenbilder“, Fotogramme, Holzschnitte, aber auch konstruktiv-abstrakte Ölbilder an. Im Laufe der 1950er Jahre lösen sich die Formen und Figuren zusehends auf. 1952 entstehen die letzten Ölbilder und die ersten rein informellen Mischtechnik-Bilder. Die letzten abstrakt-informellen „Ölbilder“ hängen heute im Saarlandmuseum Saarbrücken.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1952 gelingt Götz der künstlerische Durchbruch, und er findet zu einer neuen Maltechnik, die ihm seine charakteristische informelle Malerei ermöglicht: Beim Anrühren von Tapetenkleister für seinen Sohn Axel entdeckt Götz durch Zufall den „Nutzen von Kleister und Farbe für seine informellen Arbeiten, die sich mit Pinsel und Rakel durch den Kleister unter der Wasserfarbe viel schneller herstellen lassen, als das mit der zähen Ölfarbe möglich wäre. Mit Ölfarbe bekam Götz diese Dynamik nicht hin“, erläutert die Mitkuratorin der Ausstellung Ina Ströher, die an einem Werkverzeichnis von Götz-Ölgemälden arbeitet. Die Kombination von Farbe auf der mit Kleister versehenen Leinwand ist ideal für sein Ziel, die Farbe gestisch, in hoher Geschwindigkeit auf die Leinwand aufzutragen, um durch schnelle Verrakelung informelle Strukturen erzeugen zu können, die er ohne den schnellen Malvorgang nicht hätte schaffen können. Götz selbst sagt: „Ich kann meine Bilder nur malen, indem ich sie so schnell wie möglich male“. Für ihn war, laut Museumsdirektor Klar, Schnelligkeit ein Mittel zum Zweck. Seit dieser für Götz bahnbrechenden Entdeckung entstanden seine berühmten, unverkennbaren Gemälde und Gouachen mit gerakelter Farbe, die ihn zu einem der international wichtigsten Vertreter des Informel und des Action Painting werden ließen.

Während Götz in den 1950er Jahren seinen Werken oft gar keinen Titel gab beziehungsweise nur den Tag der Entstehung des Bildes als Titel angab, bekamen die späteren Arbeiten oft ungewöhnliche Titel, die an Fantasienamen denken lassen. In Wirklichkeit waren es jedoch normale norwegische Namen. Da Götz während des Zweiten Weltkriegs von 1941 bis 1945 als Soldat in Norwegen stationiert war, erlernte er auch die norwegische Sprache. Da ihm der Klang der Wörter gefiel, kam es zu diesen ungewöhnlichen Titeln.

In den 1970er Jahren entstanden einige Arbeiten, die der Meister des Informel ohne Rakel und nur mit dem Pinsel gemalt hat. Dadurch erhielten die Werke eine völlig andere Struktur. In den 1980er Jahren entstand über mehrere Jahre die berühmte Serie „Giverny“, bei der Götz erstmals auf die Farbe Schwarz verzichtet und nur Primärfarben verwendet, die er auf die Leinwand aufträgt und mit einem Rakel aufreißt. Die so entstandenen farbintensiven Gemälde erinnerten ihn in ihrer Farbkraft an Claude Monets Garten in Giverny, so dass er, obwohl er nie die idyllische Anlage besucht hat, mit seinen Gemälden Monets herrlicher Gartenanlage ein Denkmal gesetzt hat.

Ab dem Jahr 2000 darf man wohl vom Beginn des Spätwerks des national wie international vielfach ausgezeichneten und geehrten Künstlers sprechen, dessen Arbeiten sowohl auf der Biennale in Venedig wie auch der documenta in Kassel zu sehen waren. Trotz seines hohen Alters und der nachlassenden Sehkraft zeigt Götz Freude am Experimentieren und dem Arbeiten mit anderen Materialien, wie zum Beispiel mit Keramik und an Stahlreliefs. Noch heute ist der Großmeister des Informel, dessen Markenzeichen Rakel und Pinsel sind, mit Assistenz künstlerisch aktiv.

Ein opulenter Katalog begleitet die großartige Schau; 224 Seiten, Preis: 30 Euro.

„K. O. Götz“ im Museum Wiesbaden, bis 12. Oktober 2014

Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): © Museum Wiesbaden

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