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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Künstlergruppe RaumZeitPiraten zur „Luminale“ in der Weissfrauen Diakoniekirche

Ortsspezifische, performative Multimedia-Installation-Intervention
„Ein ephemeres Modell unperfekter Mensch-Maschine-Gegenwelten“

Wenn überhaupt eher nur pflichtgemäss und kostensparend angestrahlte Banken- und Bürohausfassaden – was soll’s. Die sogenannte „Luminale“, eine Begleitaktivität zur (auf Klar-Denglisch) „Light + Building – Weltgrösste Messe für Licht und Gebäudetechnik“ interessierte uns wenig, wenn da nicht eines wäre: Man verstand es, das Messegeschehen mit künstlerischen Events und damit kulturellem Glanz zu veredeln. Die Künstlerszene liess sich – zunächst zögernd und heuer mehr und mehr – darauf ein. Den Gang bei Dunkelheit durch vermeintlich luminal-erhellte Frankfurter Bürohochhaus-Schluchten kann man sich indes sparen – aber einzelne temporäre Kunstereignisse, die durchaus auch innerhalb geschlosser Räume anzutreffen sind, sollte man unbedingt besuchen – ja nun, besucht haben.

Zu den Höhepunkten dieser „Luminale“ zählen wir die Arbeiten der Künstlergruppe RaumZeitPiraten mit ihrem grandiosen Auftritt in der Weissfrauen Diakoniekirche.

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Projektionen der Künstlergruppe auf Campanile und Fassade

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Komplizierte kleine „Maschinen“ entfalten, konstruiert und gesteuert von den Mitgliedern der Gruppe, ein komplexes Leben und produzieren Projektionen auf den Innenraum der Kirche sowie Klangcollagen:

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„Neben lichtsensitiven Klangerzeugern entstehen in unseren Laboren Raum und Zeit krümmende Projektionsgeräte, mit denen raumgreifende Bildwelten ermöglicht werden, die mit den Klangebenen der Installationen und Aktionen synchronisiert und moduliert werden können. Diese individualisierten Licht- und Schallmedien sind Prototypen offener, optoakustischer Systeme, die fernab von restriktiven 16:9-Formatierungen, Rechteckfixierung und computerprogrammierten Blackbox-Usern komplexe, organisch im Kollektiv produzierte Multivisionen ermöglichen“ (Originaltext RaumZeitPiraten).

Ach ja, die Raumzeit-Krümmung – sie hat uns schon immer fasziniert, seit wir – mal mit einigem, mal mit weniger Erfolg – versucht haben, als Nichtphysiker die Relative und die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein zu verstehen. Nun führt uns die Künstlergruppe RaumZeitPiraten – inwieweit sie dem gezähmten Piratentum der gleichnamigen Politpartei verbunden ist, haben wir nicht erfragt – nicht in den Universitäts-Physiksaal, sondern in ein Hexenwerk, welches JWG (wir meinen natürlich Johann Wolfgang Goethe), wäre er nicht 1832 verstorben, sondern hätte die Künstlergruppe noch kennengelernt, gewiss in seiner Auerbachs Keller- und Hexenküche-Szene verarbeitet hätte. Apropos Einstein, der von der „Verschränkung“ der Teilchen als „spukhafter Fernwirkung“ gesprochen hatte: Diese „Verschränkung“ gilt, wie wir brandaktuell lesen, selbst zwischen drei weit voneinander entfernten Lichtteilchen. So ganz nun nachvollziehen können wir das nicht – aber das, was wir in der Weissfrauenkirche um uns herum erleben, mutet uns fast lehrreicher an als dicke Physiklehrbücher.

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„Mit ihren ortsspezifischen, performativen Multimedia-Installationen, Interventionen und Happenings entwerfen die RaumZeitPiraten“, so die Künstlergruppe, „ephemere Modelle von unperfekten Mensch-Maschine-Gegenwelten, mit denen sie berechnete Realitäten, wissenschaftliche Genauigkeit und anorganisches, maschinendominiertes Verhalten in Frage stellen“. „Uff!“ – und auf der anderen Seite: „Respekt“, meine Herren!

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Die RaumZeitPiraten sind ein Künstlerkollektiv und ebenso ein fortlaufendes Projekt: des in Köln arbeitenden Künstlers Tobias Daemgen (1980 in Braunschweig geboren, Kunsthochschule für Medien Köln, Gründer der Gruppe), von Jan Ehlen, Videokünstler in Mühlheim a.d. Ruhr, und Moritz Ellerich (1982 in Haan geboren, Studium Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Düsseldorf, Mitgründer der Gruppe). Seit 2007 arbeiten die RaumZeitPiraten als Kollektiv und mit wechselnden Künstlern anderer Ausdrucksformen.

Die RaumZeitPiraten verknüpfen auf spielerisch-experimentelle Weise Klang, Bild, Objekt, Raum und Zeit. Sie begeben sich – Zitat – „auf eine wechselseitig erweiternde Multimedia-Performance-Surround-Raumschiff-Laboratoriums-Reise zwischen Wissenschaft und Fiktion“.

Übrigens – sie grüssen stets mit: „die RaumZeitPiraten wünschen ein schönes Jahrhundert“.

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Unsere Empfehlung: Am Freitag, 4. April 2014, dem letzten Tag der „Luminale“, nach Anbruch der Dunkelheit unbedingt hingehen, zur Weissfrauen Diakoniekirche in der Frankfurter Gutleutstrasse (geöffnet bis 24 Uhr).

Ausstellungs-/Detailansichten; abgebildete Werke © RaumZeitPiraten;
Fotos: FeuilletonFrankfurt

 

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