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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Sandro Vadim: Farbrauschen

Von Barbara Thurau
(Einführung zur Eröffnung der Ausstellung am 25. Januar 2014)

Sandro Vadim hat für seine dritte Ausstellung in der Frankfurter Westend Galerie (nach 2000 und 2008) den Titel „Farbrauschen“ ausgewählt. Außer dem „Rauschen der Farbe“ enthält dieser Titel auch den „Farbrausch“. Diese Ausstellung ist tatsächlich ein Fest der Farben, bei dem kaum ein Farbton fehlt. Dennoch ist die Wirkung nicht bunt oder unruhig, sondern harmonisch. Das Rauschen verbinden wir mit der Natur, mit Wasser, Wind und Wald, und wir assoziieren vielleicht Lieder und Gedichte der Romantik. Ohne die Malerei Vadims als „romantisch“ zu bezeichnen: um Gefühl, individuelles Erleben und um die Beteiligung des Unbewussten geht es dabei schon – sowohl für den Künstler als auch für den Betrachter.

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↑↓ jeweils: Ohne Titel, 2013, Acrylemulsion/Pigmente auf Leinwand, 40 x 40 cm

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Der Maler Sandro Vadim präsentiert uns leuchtende Farblandschaften, in denen sich die Farbe wie ein Wolkenfeld ausbreitet, fließt, rauscht, glüht. Die Bilder üben einen Sog aus, der uns ins Bildzentrum führt. Wir sind uns wohl einig: Die Freude an der Farbe nahm Sandro Vadim aus Italien mit. Er ist 1964 in Rom geboren – feiert dieses Jahr übrigens einen runden Geburtstag – und in der Schulzeit mit seiner Familie nach Deutschland umgezogen. Er studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe Malerei und Grafik. Seine erste Einzelausstellung zeigte 1991 die Galerie Elke Zink in Baden-Baden. Es folgten zahlreiche Ausstellungen in Galerien und Kunstvereinen, darunter 2002 in der Galerie Gabriel in Wien, 2003 im Kunstverein Art Forum in Graz und 2012 in der Galerie Schrade in Karlsruhe.

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Sandro Vadim (Foto: Erhard Metz)

Vadims Malerei befasst sich nicht mit dem Problem der Form. Ihre Quelle ist allein die Farbe und deren sinnlicher Reiz. Meist beherrscht ein Farbton das Bild, andere Töne scheinen unter ihm hindurch oder setzen kontrastierende Akzente darüber. Es entstehen dabei Hell-Dunkel-Kontraste oder Komplementärkontraste wie zum Beispiel rot-grün und blau-orange. Aus der Ferne wirken die Bilder eher homogen und ruhig. Bei näherer Betrachtung sind die Farben jedoch sehr nuancenreich: kräftige und leichte, helle und dunkle, leuchtende und matte Partien wechseln sich ab. Vadims Malerei ist gestisch. Man kann die Geste an den Pinselstrichen auf der Leinwand erkennen. Malspuren überlagern sich, decken andere Partien mehr oder weniger ab. Der Betrachter nimmt am künstlerischen Prozess teil, weil er die Bewegungen des Künstlers und die Entstehung der Komposition nachvollziehen kann. Am besten nimmt er die Bilder wahr, in dem er sich selbst auch vor den Bildern bewegt, sich nähert und entfernt, an ihnen entlanggeht.

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↑↓ jeweils: Ohne Titel, 2013, Acrylemulsion/Pigmente auf Leinwand, 120 x 110 cm

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Früher hat Vadim mit Eitempera gearbeitet, heute malt er mit Acrylfarbe, die schneller trocknet und der spontanen Arbeitsweise entgegenkommt. Aber er verwendet nicht die fertige Acrylfarbe, sondern er mischt die Farben selbst aus Pigmenten und Bindemitteln, um differenzierte optische Effekte und eine haptische Oberfläche zu erzielen.

Sandro Vadim arbeitet in Werkgruppen, oft gleichzeitig an mehreren Bildern, die im Atelier nebeneinander stehen. So entstehen Korrespondenzen von Leinwand zu Leinwand, Farbe und Malgestus der einen setzen sich in der nächsten fort. Vadim trifft beim Malen keine rationalen Entscheidungen, er plant keine Illustration, er konstruiert keine Form und formuliert keine Botschaft. Er lässt unterbewusste und subjektive Kräfte spielen. Er bekennt sich zur Emotion im Sinne von Bewegung. Er tastet sich an die Komposition heran, er sucht und findet sie vor unseren Augen.

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Sandro Vadim (Foto: Erhard Metz)

Professor Harald Siebenmorgen schrieb in unserem Katalog zur Ausstellung im Jahr 2000: „Die Bilder sind pure Malerei und wollen nichts anderes sein – und damit die Malerei als eigenständige Kommunikationsform unabhängig und neben der Sprache behaupten. Allein die Farbe trägt das Bild. Sie organisiert eine abstrakte Komposition, die ganz für sich gesehen werden will.“

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↑ Ohne Titel, 2013, Acrylemulsion/Pigmente auf Leinwand, 120 x 110 cm
↓ Ohne Titel, 2012, Acrylemulsion/Pigmente auf Leinwand, 80 x 70 cm

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Dennoch sucht und findet der Betrachter Bekanntes – die Bilder wecken Assoziationen. Es sind Stimmungen und Gefühle zu entdecken, aber auch konkreter: Ausschnitte eines Wolkenhimmels, Spiegelungen auf einer Wasseroberfläche oder vom Wind bewegte Pflanzen. Man könnte auch Jahreszeiten mit einzelnen Werken verbinden: Winter, Frühling, Sommer. Einige der leuchtenden Farbimpressionen Vadims erinnern auch an Monets Seerosenbilder.

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Ohne Titel, 2012, Acrylemulsion/Pigmente auf Leinwand, 65 x 60 cm

Der eigenständige Zyklus kleiner Arbeiten auf Bütten, von dem ebenfalls einige Beispiele ausgestellt sind, trägt den Titel „panta rhei“. Dieser von Platon geprägte Aphorismus bezieht sich auf die Flusslehre Heraklits, die besagt: Alles fließt und nichts bleibt; es gibt nur ein ewiges Werden und Wandeln. Die Flusslehre ist also eine Metapher für die Wandelbarkeit der Welt. Das Sein ist nicht statisch, sondern als ewiger Wandel dynamisch zu erfassen. Dieser Titel könnte für alle Werke Vadims gelten, in denen ein fortwährender Stoff- und Formwechsel sichtbar wird. Sie sind wie Ausschnitte aus einem unendlichen Farbuniversum.

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Sandro Vadim, Salvatore A. Sanna, Leiter der Galerie, und Barbara Thurau in der Vernissage (Foto: Erhard Metz)

Sandro Vadim, „Farbrauschen – Neue Arbeiten“, Frankfurter Westend Galerie, bis 7. März 2014

Abbildungen © VG Bild-Kunst, Bonn, Fotografien der Werke Sandro Vadim

→ Sandro Vadim – ein Kolorist in der Frankfurter Westend Galerie

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