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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Aufbruch in die Zukunft: das Historische Museum Frankfurt

Von Erhard Metz

Das „Frankfurter Museumsufer“ geniesst Bekanntheit und Wertschätzung: bundesweit und darüber hinaus. Eigentlich sind es zwei Ufer: das südliche, nun einmal dominiert von Städel Museum und Liebieghaus, und das nördliche, auf den ersten Blick bestimmt von den beiden Ufer-Anrainern, dem in zwei klassizistischen Bürgervillen (eine davon als Rothschild-Palais bekannt) beheimateten Jüdischen Museum und dem markanten, die Ansicht Frankfurts vom Wasser her prägenden Gebäudeensemble des Historischen Museums Frankfurt. Wie auch andere renommierte Ausstellungshäuser nicht in Uferlage, aber bundes- und europaweit bedeutend: das Museum für Moderne Kunst an seinen künftig drei Standorten MMK 1 (Stammhaus an der Domstrasse), MMK 2 (Dependance TaunusTurm) und MMK 3 (bisher MMK Zollamt). 56 Museen zählt, wenn wir uns nicht ver-zählt haben, die Stadt Frankfurt – bis hin zu den kleinsten Stadtteil- und Heimatmuseen -, die wenigsten natürlich liegen in Main-Nähe.

Aber zurück zum Historischen Museum. Frankfurt feierte kurz vor Jahresende 2013 dessen Grundsteinlegung, genauer gesagt: die Grundsteinlegung zu einem Erweiterungsbau des Museums.

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Kulturdezernent Professor Felix Semmelroth, Museumsdirektor Jan Gerchow und Bürgermeister Olaf Cunitz bei der Grundsteinlegung am 17. Dezember 2013 in der Baugrube vor dem Bernusbau, mit der kupfernen Zeitkapsel, die in das Betonfundament eingegossen wurde

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↑↓ Historisches Museum Frankfurt, das renovierte Altbauensemble des Saalhofs am Mainufer (v.l.): Wach- und Zollgebäude (2. Hälfte 19. Jh.), Rententurm (1454-1456), Bernusbau (1714-1717), Burnitzbau (1842-1843) und staufische Saalhofkapelle (um/nach 1200); jeweils © Historisches Museum Frankfurt, Fotos: Jörg Baumann

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Aber der Reihe nach und mit einem kurzen Blick zurück:

Schon vor dem Abriss des 1972 eröffneten ersten Erweiterungsbaus (des am Bürgerempfinden vorbeigebauten und deshalb von Anfang an ungeliebten „Betonklotzes“) im Jahr 2011 hatten 2006 die Planungen für ein neues Gesamtkonzept für das Museum begonnen. 2008 zog es vorübergehend sozusagen ins Exil, und der als Saalhof-Ensemble bekannte Altbaukomplex wurde grundlegenden Umbau- und Renovierungsmassnahmen unterzogen. Ein wesentliches Ziel war es dabei, die neuzeitlich eingefügten horizontalen, die Abfolge des über einen Zeitraum von 800 Jahren gewachsenen Ensembles verfälschenden Strukturen zu beseitigen und die einzelnen Gebäude wieder in ihrer vertikalen Struktur und Typologie herauszuarbeiten und zur Geltung zu bringen und das museografische Konzept entsprechend darauf auszurichten. Erstmals seit 500 Jahren können Besucher jetzt den Rententurm als eigenständigen Raumkörper erfahren und über das Wendeltreppenhaus aus dem Jahr 1456 besteigen. Ferner wurden die Kellerräume der staufischen Königsburg wie der anderen Gebäude bis zu den Fundamenten ausgegraben und für die Besucher über Stege begehbar gemacht: Sie können die freigelegten Zeitschichten aus acht Jahrhunderten unmittelbar erleben. Während der Umbauphase unterrichtete das Museum die interessierte Öffentlichkeit durch regelmässige – und stets gut besuchte – „Baustellenführungen“.

Dann kam der grosse Tag: Am 24. Mai 2012 wurde der Altbaukomplex feierlich wiedereröffnet. „Nicht nur städtebaulich ist die substanzielle Renovierung ein Gewinn. Auch denkmalpflegerisch war sie richtig und notwendig – und als Aufwertung dieses für die Geschichte Frankfurts zentralen Museums essentiell wichtig“, sagte Kulturdezernent Felix Semmelroth. Und Museumsdirektor Jan Gerchow betonte die mit der Neueröffnung verbundene neue thematische Ausrichtung des Hauses: Aus dem geschichtswissenschaftlichen Fachmuseum wird das Stadtmuseum für Frankfurt.

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Eröffnungspressekonferenz am 24. Mai 2012: Direktor Jan Gerchow, Kulturdezernent Felix Semmelroth und Bürgermeister Olaf Cunitz

Ausstellung „Die Stauferzeit“

Das Pfalzgebäude des Saalhofs ist – mit Ausnahme der karolingischen Justinuskirche in Frankfurt-Höchst – das älteste aufrecht stehende Gebäude der Stadt. Einst war es im 12. bis 13. Jahrhundert der Mittelpunkt des stauferzeitlichen Frankfurt und Sitz der staufischen Könige und Kaiser, die hier ab 1152 gewählt wurden und damit die Tradition der Stadt als Wahlort der deutschen Könige begründeten.

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Auch als Repliken wertvoll und hinter Panzerglas: die Reichskleinodien Kaiserkrone, Reichsapfel und Zepter im Historischen Museum Frankfurt; die Originale befinden sich – unausleihbar – in der Schatzkammer der Wiener Hofburg

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Saalhofkapelle, Rundbogen-Fenster im Obergeschoss

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Der Rententurm

Der viergeschossige Rententurm – seinen Namen bezog er von dem Rentamt, das seit Ende des 15. Jahrhunderts dort seinen Sitz hatte – ist nunmehr als Teil des Historischen Museums für das Publikum besteigbar. In den Stockwerken versetzt eingezogene Ebenen erlauben einen vertikalen Durchblick durch das Gebäude.

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Am Eröffnungstag im Rententurm: Jan Gerchow, Olaf Cunitz und Felix Semmelroth

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Für heutige Begriffe recht unhandlich: Frankfurter Stadttorschlüssel, Eisen, 14. Jahrhundert

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Nische, wohl auch als Wandbrunnen genutzt, im Rententurm

Ausstellung „Frankfurter Stifter und Sammler“

Der nach über 200 Jahren zum ersten Mal wiedervereinigte Annenaltar des „Meisters von Frankfurt“ – einem der bedeutendsten flämischen Maler der Zeit um 1500 -, Herzstück der Sammlung des Frankfurter Grossherzogs Carl Theodor von Dalberg (1744 -1817) – wurde bereits in einem eigenen Beitrag „Wiedervereinigt: Frankfurter Annenaltar“ vorgestellt.

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Annen-Retabel im Historischen Museum Frankfurt

Die Ausstellung „Frankfurter Sammler und Stifter“ wird noch Gegenstand eines weiteren Beitrags sein.

Grundsteinlegung für den Ergänzungsbau

Wir kehren zurück zum Anfang: zur Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau Mitte Dezember 2013.

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↑ Neben der Alten Nikolai-Kirche (13./15. Jh.), mit Blick auf den Dom: die Grossbaustelle Anfang April 2012
↓ Blick aus der gewaltigen Baugrube am Tag der Grundsteinlegung

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Ein sensationeller archäologischer Fund sorgte für eine Verzögerung der Arbeiten an der Grube um rund eineinhalb Jahre: ein Stück der weit über 800 Jahre alten, recht gut erhaltenen staufischen Hafenmauer. Sie wird in den neuen Baukörper sichtbar integriert, was eine nicht unerhebliche Umplanung des Projekts erforderlich machte.

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Staufische Hafenmauer © Historisches Museum Frankfurt, Foto: Uwe Dettmar

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Abstieg in die Baugrube zur feierlichen Grundsteinlegung: Felix Semmelroth, Olaf Cunitz und Jan Gerchow mit dem Polier

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Die verlötete Zeitkapsel mit dem Wappen der Stadt Frankfurt ist mit symbolischen Gegenständen gefüllt: den Bauplänen, verschiedenen, das Datum der Grundsteinlegung tragenden Tageszeitungen, einer Münze des Jahrgangs 1878, dem Gründungsjahr des Museums, sowie aktuellen Euro-Münzen.

Der Neubau – ein Parallelbau zu den renovierten Saalhofgebäuden und ein zweiflügeliger freistehender Komplex – mit einer zeitlosen, auf Modisches verzichtenden Formensprache erweitert die Präsentationsflächen von derzeit 3.200 m² auf künftig insgesamt 6.000 m². Die Fassaden aus Mainsandstein und Naturputz und mit Naturschiefer gedeckte Satteldächer werden die Bauten ästhetisch wie harmonisch in die vorhandene traditionelle, vom mainischen Sandstein geprägte Bausubstanz der Altstadt einfügen. Als zentrales Stadtmuseum für Frankfurt am Main will das Historische Museum – so die Intention des Hauses – „mit den neu gebauten Ausstellungsräumen nicht nur über die lebhafte Geschichte einer der bedeutendsten Grossstädte der Republik informieren, sondern Besucher aller Herkunft dazu einladen, sich mit der Stadt auseinanderzusetzen und somit aktiv an der Gestaltung des zukünftigen Frankfurt mitzuwirken“.

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Architekturmodell der Gesamtanlage; © Historisches Museum Frankfurt, Foto: Jörg Baumann

„Bereits im Herbst 2014 wird Richtfest sein und Ende 2015 steht der Rohbau“, freut sich Jan Gerchow. „Dann folgt der Innenausbau und im Frühjahr 2017 kann das neue Museum eröffnet werden – eines der bedeutendsten Stadtmuseen der Welt, gleichauf mit Hochkarätern wie in Amsterdam, Liverpool, Taipei oder New York!“

Fotos: (ohne nähere Bezeichnung) Erhard Metz;
Jörg Baumann und Uwe Dettmar/Historisches Museum Frankfurt

→  Wiedervereinigt: Frankfurter Annenaltar

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