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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Paolo Buggiani in der Frankfurter Westend Galerie

Feuer und Erde: Landschaftsbilder und Fotografien

Eröffnungsansprache von Barbara Thurau
Frankfurter Westend Galerie

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Paolo Buggiani und Salvatore A. Sanna, Leiter der Frankfurter Westend Galerie

Wir freuen uns, dass wir den Maler und Performancekünstler Paolo Buggiani zu Besuch haben. Der Titel der Ausstellung „Feuer und Erde“ benennt die beiden Elemente, die in Buggianis Werken vorherrschen, die seine künstlerische Sprache am besten beschreiben und nicht zuletzt auch seine Persönlichkeit.

Nach unserer letzten Ausstellung könnte man denken, es sind hier wieder zwei Künstler präsentiert, wie zuletzt Vater und Sohn. Aber beide, die Fotografien und die Landschaftsbilder, sind von Paolo Buggiani. Sie stellen die zwei Seiten seines Schaffens dar.

Bei der Gestaltung der Einladungskarte hat er Wert darauf gelegt, dass man diese Ambivalenz auch deutlich erkennen kann, indem neben einem Gemälde aus dem Zyklus Maremma auch ein Foto seiner Street Art abgebildet ist.

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Maremma, la mia terra, 2008/09, Mischtechnik auf Leinwand, 90 x 120 cm

Paolo Buggiani ist 1933 in Castelfiorentino bei Florenz geboren und in seiner toskanischen Heimat verwurzelt. Die Farben seiner Bilder assoziiert man sofort mit Sommer und Herbst, mit Süden und sandigen Böden. Seine Gemälde machen geografische und architektonische Elemente der italienischen Landschaft sichtbar. Der Maler wendet eine collagehafte Technik an, bei der er einzelne Farbfelder nebeneinander setzt, die sich leicht überlagern. Er verwendet Naturtöne, überwiegend ocker, braun und orange, aber auch warme Blau- und Rosatöne. Der Künstler hat die Freskomalerei gelernt. Er mischt seine Farben also selbst aus reinen Pigmenten, Kalk und Bindemitteln. Und er mischt dabei auch verschiedene Sorten Sand bei, so dass sich auf der Leinwand feine Erdstrukturen bilden, fast wie geologische Schichten. Anders als bei der Ölmalerei entsteht hier kein Glanz, sondern eine grobe, trockene und sehr haltbare Struktur.

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Maremma (3), 2008, Mischtechnik auf Leinwand, 50 x 60 cm

Buggiani liebt die Natur. Er hat sich im Vorfeld der Ausstellung dazu geäußert: „Ich liebe es, von einem einsamen Strand aus das Meer zu betrachten, weil das Geräusch der Wellen und die Meeresbrise seit Millionen von Jahren unverändert sind.“ In dem Gemälde „Maremma, la mia terra“ sieht man blaue Flächen, die man mit dem Himmel oder dem Meer assoziieren kann. Gerne zieht Buggiani sich in sein Atelier zurück, um ungestört auf einer großen Leinwand mit Farben zu experimentieren. Und dann zieht es ihn doch wieder in das pulsierende Leben der Metropolen.

Paolo Buggiani lebt und arbeitet in New York und Rom. In den 1950er Jahren nimmt er an der Avantgarde-Bewegung in Rom mit Carla Accardi, Alberto Burri, Piero Dorazio und Giulio Turcato teil. 1962 geht er nach New York und erhält 1968 mit Donald Judd, Tony Smith und Philip Guston ein Stipendium der Guggenheim-Stiftung. Buggiani pendelt zwischen Italien und New York, zwischen der toskanischen Heimat, der ewigen Stadt Rom und der amerikanischen Weltstadt. Er schreibt: „Schon seit meinem ersten Aufenthalt in New York von 1962 bis 1968, angeregt durch neue provozierende Bilder und künstlerische Bewegungen, wurde mir die Malerei alleine zu eng … Ich habe angefangen, die Straße als Raum für neue Experimente und Überlegungen zu betrachten. Die Straße mit ihrem mal langsamen, mal schnellen Rhythmus hat mir den Lauf der Zeit enthüllt …“

In New York gehört Buggiani zusammen mit Keith Haring, Richard Hambleton und Ken Hiratsuka zu den bedeutenden Künstlern der Street Art und macht sich insbesondere mit seinen „Feuer-Skulpturen“ einen Namen. Die Performance „Minotaur“, New York 1980 und die Installation „Wall Street“, New York, 1981 sind zum Beispiel im 2010 erschienenen Kunstband „Trespass. Die Geschichte der urbanen Kunst“ dokumentiert. Das Buch stellt mit Essays und vielen Fotos die Schlüsselfiguren der Straßenkunst wie Jean Tinguely, Keith Haring und Jenny Holzer vor (Hrsg. Carlo McCormick, Marc & Sara Schiller, Ethel Seno, Taschen Verlag, 2010).

1985 erhält Buggiani den Auftrag für eine Performance mit Feuer und Licht an der Alten Oper Frankfurt. Der Künstler montierte und entzündete brennbare Drahtgestelle an der Fassade des Gebäudes. Ergänzt wurde das Spektakel durch Laserstrahlen und akustisch untermalt durch Synthesizer-Klänge. Dieses Frankfurter Projekt ist auf einem großformatigen Foto dokumentiert, das der Maler noch von Hand überarbeitet hat.

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Paolo Buggiani, Salvatore A. Sanna und Barbara Thurau vor „Sole – Sun, Alte Oper Frankfurt“, 1985, übermalte Fotografie auf Leinwand, 90 x 120 cm

Wir haben es bei Paolo Buggiani also mit Performance zu tun, mit einer künstlerischen Darbietung, die situationsbezogen, handlungsbetont und vergänglich ist. Anders als ein traditionelles Kunstwerk ist sie nicht dauerhaft, werthaltig oder verschiebbar. Sie ist spontan und nicht wiederholbar. Der Künstler und das Kunstwerk sind untrennbar, vielmehr ist der Künstler ein Teil des Kunstwerks. In den 1960er Jahren wurde, zunächst in den USA, der Begriff „Performance Art“ zu einer Sammelbezeichnung für Happenings, „Live Events“, Fluxuskonzerte, Demonstrationen und Straßenaktionen. Für diese Kunstformen ist die mediale Dokumentation und Rezeption so wichtig: Dokumentationen in Videotechnik oder Performances direkt als Videokunst sowie Performance-Fotografie können in Ausstellungen gezeigt und auf dem Kunstmarkt gehandelt werden.

Im Erdgeschoss zeigen wir den Video-Film IN/EXIT von 2009, der zeitgenössische Experimente und Archiv-Aufnahmen Buggianis aus den 1980er Jahren in New York zeigt. Darin folgt der Minotauros einem Feuerfaden aus dem unterirdischen Labyrinth bis in die verlassenen Metropolen an der Erdoberfläche.

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↑ Invasione, New York, 1983, Übermalte Fotografie auf Leinwand, 50 x 60 cm
↓ Rettile meccanico, 2012, Recyclingaluminium bemalt, 20 x 26 x 115 cm

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Street Art sehen Sie in allen Fotografien dieser Ausstellung. Der Künstler erschafft Feuerskulpturen aus Drahtgestellen mit Glasfaserschnüren, die er mit Wachs und Kerosin bestreicht und dann entzündet. Diese Aktionen implizieren immer auch Körpereinsatz und den möglichen Konflikt mit den Behörden. Ein Beispiel ist auf dem kleinen Foto „Hiroshima, New York, 1982″ zum Gedenken an den Atombombenabwurf auf Hiroshima zu sehen. Um dieses kritische Projekt zu realisieren, baute Buggiani an mehreren Tagen das Drahtgerüst direkt vor dem UN-Hauptquartier in New York auf und nahm es wieder mit, bis das Wachpersonal keinen Verdacht mehr schöpfte. Am Jahrestag des Bombenabwurfs konnte er es dann ungestört aufbauen und entzünden.

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↑ Art Revolution, 2013, übermalte Fotografie auf Leinwand, 60 x 50 cm
↓ Apocalisse, New York, 1982, übermalte Fotografie auf Leinwand, 60 x 50 cm

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Bei anderen Aktionen fuhr Buggiani auf Rollschuhen oder lief mit einem Mantel aus Feuer durch die Straßen von New York. Auch in den letzten Jahren führte er verschiedene Aktionen in Italien aus, z.B. 2012 bei einem Theaterfestival in der archäologischen Fundstätte von Selinunt.

Mit seinen Aktionen bewegt er sich oft an der Grenze des Erlaubten und übt Kritik an Politik und Gesellschaft, an der Zerstörung der Natur, an der Abholzung des Regenwaldes und an der Macht des Geldes. Unter den ausgestellten Fotos finden sich solche mit einem brennenden Baum oder dem brennenden Umriss eines Mannes in der Wall Street.

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The Man at Wall Street, 1981, Übermalte Fotografie auf Leinwand, 60 x 50 cm

Noch beeindruckender sind wohl seine Fotos von Aktionen vor den Twin Towers. Er ließ sich 1979 an einem langen Seil, das an der Spitze des Turmes befestigt war, herunterhängen und betätigte sich als Feuerschlucker. Diese spielerischen Angriffe auf die Zwillingstürme lassen uns heute schaudern.

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Autoritratto, New York, 1979, Übermalte Fotografie auf Leinwand, 30 x 24 cm

Paolo Buggiani hat sich für die Vernissage aber zum Glück eine ganz harmlose Aktion einfallen lassen:

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Er wird zwei „Portraits Over Reality“ ausführen.

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Paolo Bucciani im Wintergarten der Frankfurter Westend Galerie in Aktion

Dabei fotografiert er eine Ausstellungsbesucherin durch eine Plexiglasscheibe, die er vorher bemalt. Das ausgedruckte Foto ergibt zusammen mit der bemalten Scheibe dann das Kunstobjekt.

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Abgebildete Werke © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotos: Erhard Metz

Paolo Bucciani „Feuer und Erde“, Frankfurter Westend Galerie, bis 10. Januar 2014

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