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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Literaturnobelpreisträger Dario Fo im Kunsthaus „Die Galerie“

Erzähler, Maler, Engagierter am Menschen

Text und Fotos: Renate Feyerbacher

Nicht jeden Tag schaut in Frankfurt ein Literaturnobelpreisträger vorbei, vor allem keiner, der auch noch Maler, Architekt, Schauspieler, Komiker, Drehbuchautor, Regisseur und politisch engagiert ist.

Anlass war die Eröffnung seiner Ausstellung am 5. Juni 2013 im Kunsthaus „Die Galerie“.

Bescheiden, freundlich, ganz in schwarz gekleidet, offen – so begegnet Dario Fo den Menschen, die mit ihm reden wollen. Dabei wird es für ihn schwierig gewesen sein, diesen Termin wahrzunehmen

Fos Anwesenheit war angekündigt, dann aber aufgrund des Todes seiner Frau, Franca Rame, einige Tage zuvor abgesagt worden. Kurz entschlossen kam Dario Fo dann doch noch nach Frankfurt, wo er am Vormittag mit Studierenden der Universität zusammentraf.

Es ging um Kunst und Kapitalismus. Das Thema: „Demokratie und Kultur der Märkte. Die Vorherrschaft der Banken und der verzweifelte Widerstand der Kultur“. Dario Fos Credo: „Hauptsache man ist unabhängig“.

Es wurde über die Besetzung als Form des Widerstandes gesprochen. Daraufhin erzählte der Künstler, wie seine Frau und er sich mit der Besetzung einer Fabrik durch Arbeiter solidarisiert hätten. Er landete im Gefängnis, sie wurde vergewaltigt. Das war 1973, als seine Frau von einer faschistischen Gruppe entführt, gequält und vergewaltigt wurde. Beider poltische Aktivitäten und vor allem Franca Rames Arbeit in Gefängnissen sollten bestraft werden.

Francas Gesicht, 1990, Pastell auf Papier

Dario Fo, 1926 in Leggiuno-Sangiano geboren, und Franca Rame (1929 bis 2013) lernten sich in der Mailänder Theatersaison 1951/1952 bei Proben kennen. 1954 heirateten sie, ein Jahr später kam Sohn Jacopo zur Welt. Sie wurde seine wichtigste Mitarbeiterin und Interpretin seiner Texte. Die Schwedische Akademie begründete 1997 die Verleihung mit folgenden Worten: „Der Nobelpreis für Literatur wird Dario Fo verliehen, weil er zusammen mit der Schauspielerin und Schriftstellerin Franca Rame, in der Tradition der mittelalterlichen Spielleute, die Macht verhöhnt und den Unterdrückten ihre Würde zurückgibt.“ Fo spricht von „unserem Nobelpreis“. Das Preisgeld spendeten sie Menschen mit Behinderung.

In dem Stück „Misterio buffo“ (1969/1971) lässt er das alte Theater neu erstehen. Das Werk ist in Frankreich ein Renner und wird zum Festival der Nationen nach Hamburg eingeladen. Noch 2012 sind Fo und Rame damit in den grossen Theatern Italiens unterwegs.

„Zufälliger Tod eines Anarchisten“ (1970) wird zu Fos weltweit am meisten gespielten Stück. Es geht um den Tod des schuldlosen Eisenbahnarbeiters und anarchistischen Aktivisten Guiseppe „Pino“ Pinelli, der im Polizeigewahrsam starb. Es war die Zeit der Linken-Hatz. Auf die rechte Seite wollte die italienische Regierung nicht schauen. Diese Blindheit auf dem rechten Auge ist bei uns auch heutzutage noch akut.

Frühling. Für meine süsse Franca, 1994, Filzstift und Tempera auf farbigem Papier

Dario Fo kommt aus einer alten Theaterfamilie. Der Vater war sozialistisch gesinnter Bahnhofsvorsteher in einem Dorf nahe des Lago Maggiore, die Mutter eine fantasievolle Frau, die ihren Sohn förderte. Der Grossvater, der mit dem Pferdewagen über Dörfer fuhr und Gemüse verkaufte und den kleinen Dario mitnahm, war ein grosser Geschichtenerzähler. So lernt der Junge die Erzählkunst, durch die er auch in der Schule auffiel.

Mit 14 Jahren begann er in Mailand ein Studium der Malerei an der Akademie der Schönen Künste, einige Jahre später studierte er Architektur an der Technischen Hochschule in Mailand. Es folgten die Beschäftigung mit Bühnen- und Kostümbildnerei und 1948 der erste Bühnenauftritt als Schauspieler. Kurz zuvor war das legendäre Piccolo Teatro in Mailand gegründet worden, mit dem der Autor und Schauspieler mit seiner Frau immer wieder zusammenarbeiteten.

Sie gehen nach Rom, um Arbeit beim Film zu finden, und sind auch dort aktiv. Dann Rückkehr nach Mailand, Gründung einer eigenen Theaterkompanie und wieder Zusammenarbeit mit dem Piccolo Teatro, auch mit der RAI (Radiotelevisione Italiana). Dort produzierten sie sehr erfolgreiche Sketche, in denen über die Situation der Arbeiter gesprochen wurde. Heftige Auseinandersetzungen und Zensur folgten. Beide weigerten sich, diese zu akzeptieren. 15 Jahre wurden sie daraufhin von der RAI nicht mehr beschäftigt.

Schluss mit diesen Kriegen, 2010, Mischtechnik auf Leinwand

Einer Einladung zum italienischen Theater nach New York können sie nicht folgen, es wird ihnen das Visum verweigert. Als es dann vier Jahre später anlässlich der Aufführung seines Stücks „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ für sechs Tage genehmigt wird, dürfen sie New York nicht verlassen.

Und immer wieder inszeniert Dario Fo, auch Opern, und gestaltet Bühnenbilder.

Unermüdlich schreibt Fo auch ein satirisch-groteskes Stück über Silvio Berlusconi. Mit 79 Jahren ist er Kandidat der Bürgermeisterwahlen in Mailand. Franca Rame war von 2006 bis 2009 Abgeordnete der Mitte-Links-Partei im römischen Senat.

Anfang des Jahres 2013 erschien das Buch „Die Grille zirpt immer bei Sonnenuntergang“, ein imaginärer Spaziergang, ein Gespräch über die katastrophale Lage Italiens zwischen Dario Fo, Beppo Grillo und Gianroberto Casaleggio. Dario Fo ist Unterstützer der Fünf Sterne-Bewegung des Komikers und Politikers Beppe Grillo.

↑↓ Widmung und Zeichnung im Katalog der Autorin dieses Beitrags

Dario Fo auch ein Maler? Das war seine erste berufliche Leidenschaft, die er nie aufgab. Über 70 Jahre malt er. Wem war das bekannt?

„Mit 18 Jahren wurde ich schon für einen echten Maler gehalten“, schreibt er in den autobiographischen Notizen (Katalog). Doch dann geriet er mit dieser Kunst in eine Krise. Dennoch legte er den Zeichenblock nie zur Seite. Im Gegenteil, durch das Theaterspielen findet er wieder zum Zeichnen und Malen. „So hatte ich nun im selben Augenblick den Pinsel in der Hand und die Gesten des Clowns im Leib“ (Katalog).

Stefania Canali, Venezianerin, heute auch Frankfurterin, promovierte Historikern, Winzerin, Publizistin, verheiratet mit dem Galeristen, ist es zu verdanken, dass Dario Fo bei uns auch als Maler wahrgenommen wird.

Sie sah 2012 im Palazzo Reale in Mailand seine Retrospektive mit 400 Werken: Malereien, Zeichnungen, Theaterkostüme, Masken, Marionetten, Filmmaterial und Fotografien.

Paola Barbon (Übersetzerin), Peter Femfert (Galerist), Dario Fo, Stefania Canali bei der Übersetzung der Ansprache von Dario Fo zur Ausstellungseröffnung am 5. Juni 2013

In der Frankfurter Ausstellung sind 45 Exponate zu sehen, ein Querschnitt seines Schaffens von 1945 bis 2012.

Seine Bilder, seine Gemälde sind wie Theaterinszenierungen: lebendig, farbig, erzählend, dramatisch, witzig, ironisch. Es sind zum Beispiel Exponate zu finden, die dem griechischen Theater gewidmet sind.

Sehr deutlich ist seine Anlehnung an alte Meister.

Hommage an Cosmè Tura, 2010, Mischtechnik auf Leinwand

Beeinflusst habe ihn vor allem Leonardo da Vinci, dessen Zeichnungen in den Codices er anfangs abzeichnete und neu interpretierte. Die Architektur als Perspektive, als Bestimmungspunkt spielt immer wieder eine Rolle. Da sind Kirchen und Klöster zu sehen. Die Farben sind leuchtend, intensiv, warm.

Afrika 2 (Wasser), 2012, Mischtechnik auf Leinwand

Während seines Aufenthaltes in Paris in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lernte Dario Fo einige der grossen Meister persönlich kennen und liess sich anregen. Ein Freund riet ihm, im Sinne von Picasso, nicht nur nachzuahmen, sondern Ideen zu stehlen. Das tat Dario Fo zum Beispiel mit Picasso.

Selbstportrait à la Picasso, 2012, Acryl auf Leinwand

Ein Bild, das zeigt, dass Fo ein bedeutender Maler ist und die Techniken von der Pike auf gelernt hatte. Die Picasso-Nachahme hat er vor allem in den letzten Jahren vertieft.

Ansonsten greift er seine Themen aus dem täglichen Geschehen der Welt und erzählt sie mit dem Pinsel. Es ist „Malerei eines Erzählers“. Vor dem Schreiben eines Stückes, einer Satire greift er zum Pinsel, zum Zeichenstift. Die Skizze motiviert ihn dann zu schreiben.

Bei der Aufführung von Szenen seines Stücks „Bezahlt wird nicht“ im Campus Westend der Goethe-Universität

Dario Fo ist nicht nur ein Querdenker in seinem Atelier. Er scheut nicht den Konflikt mit der Macht und nimmt sogar Gefängnis, Zensur, Diffamierung, Ausschluss und Verlust in Kauf. Diese Konsequenz ist selten zu finden. Engagiert ist er zusammen mit seinem Sohn am Aufbau des Ökologischen Sonnendorfs, das vom Geld des von Fo und Rame gegründeten Nobel-Komitee für Behinderte profitiert. Es liegt nahe der Libera Università di Alcatraz, die das Ehepaar 1980 gründete, ein Kulturzentrum und Agriturismo auf den Hügeln zwischen Gubbio und Perugia. Dort treffen sich Interessierte aus der ganzen Welt und besuchen Fos Kurse, die er heute ohne seine Frau halten muss.

„DARIO FO. Malerei 1945-2012“, DIE GALERIE, Frankfurt am Main, bis 31. August 2013

 

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