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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Emilio de‘ Cavalieri / Klaus Lang: Das Spiel von Seele und Körper

Uraufführung der Fassung mit musikalischen Ergänzungen „fulgur harmoniae“ von Klaus Lang an der Oper Frankfurt

Von Renate Feyerbacher
Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

(Oben) Vuyani Mlinde (Mondo / die Welt) sowie unten Julian Prégardien (Corpo / der Körper); Foto © Barbara Aumüller

Der italienische Komponist Emilio de‘ Cavalieri (1550 bis 1602) wird als früher Vertreter des monodischen Stils (Monodie ist der Einzelgesang) gesehen. Der Sologesang mit Instrumentalbegleitung, aus der griechischen Antike im Unterschied zum Gesang des Chores bekannt, wird Ende des 16. Jahrhunderts durch Cavalieri und die Mitglieder der „Camerata“ wiederbelebt. Ihre neuer Gesangsstil „Recitar cantando“ verhalf zur Entstehung der Oper.

De‘ Cavalieri war am Hof der Medici in Florenz eine Art Generalintendant, danach arbeitete er in Rom, wo er für musikalische Grossveranstaltungen verantwortlich war. In der Chiesa della Vallicella wurde im Februar 1600 sein Werk „Das Spiel von Seele und Körper“ („Rappresentazione di Anima e di Corpo“) uraufgeführt. Inhaltlich ist es eine geistliche Allegorie, wie sie im Mittelalter in Mysterienspielen gezeigt wurde. Die Seele in glücklichem und verdammtem Zustand, der Körper, die Zeit, der Rat, der Intellekt, das Vergnügen, die Eitelkeit, das Gerücht sind personifiziert und haben Solopartien.

(Oben) Maren Favela (Vita mondana / das irdische Leben) und Vuyani Mlinde (Mondo / die Welt) sowie unten Barbara Zechmeister (Angelo Custode / der Schutzengel; in rotem Kleid) und Ensemble Barock vokal der Hochschule für Musik Mainz (mit Hüten); Foto © Barbara Aumüller

Das Akzeptanzvermögen des heutigen Zuschauers, der Mozart, Verdi oder Wagner gewöhnt ist, ist gefordert vor allem, was den Inhalt betrifft, der in verschiedenen Varianten sich wiederholt. Geschrieben hat den Text der Priester Agostino Manni (1548 bis 1618), der zur von Filippo Neri (1515 bis 1595) gegründeten Kongregation der Oratorianer gehörte. Ihr war de‘ Cavalieri verbunden. Neri und der Baske Ignatius von Loyola (López de Loyola, 1451 bis 1556) waren die einflussreichsten, katholisch-geistlichen Führer in der damaligen Zeit. Loyola war der Mitbegründer des Jesuitenordens, eine Reaktion der Gegenreformation.

Dementsprechend schrieb Manni den Text mit ständigen Mahnungen, Verführungsmomenten, Darstellung von Höllenqualen und ähnlichem mehr.

Wie frei ist der Mensch? Wie darf er leben? Hat er kein Recht auf „kontrolliertes, gezügeltes“ Vergnügen? Diese Fragen gingen mir laufend durch den Kopf, und ich dachte – auch als Beleg jüngeren Datums – an die katholische Einflussnahme, an den Roman „Ein Portrait des Künstlers als junger Mann“ von James Joyces (1882 bis 1941). In ihm werden die jungen Jesuiten-Internatszöglinge mit der Darstellung von Höllenpein gequält.

Die Aufführung

In weisser Kleidung Kateryna Kasper (Anima / die Seele; links stehend) und Julian Prégardien (Corpo / der Körper; rechts stehend) sowie Ensemble; Foto © Barbara Aumüller

Die Musik beginnt mit „fulgar harmoniae I“ des österreichischen Komponisten Klaus Lang (geboren 1971). Die drei Akte von de‘ Cavalieris Werk werden umrahmt beziehungsweise durch Zwischenspiele unterbrochen, die manchmal zu lang sind. Sie sind ein Auftragswerk der Oper Frankfurt.

Flirrend, minimalistisch, ein Geräusch-Teppich, der wie ein Bienenschwarm klingt, ist diese Musik in diesem ersten Teil, die Dirigent Michael Forum präzise umsetzt. Direkt vor ihm sitzt das Orchestre Atlante mit Cembalo und Laute, und Mitglieder des Opern- und Museumsorchesters sind hinter gazeähnlichen Vorhängen verdeckt. Musik kommt von allen Seiten.

Danach folgt de‘ Cavalieris fulminante, üppige Musik des Frühbarock.

Regisseur Hendrik Müller nutzt den Raum des Bockenheimer Depots und lässt die acht vorzüglich singenden Mitglieder des Ensemble Barock Vokal vom Kolleg für Alte Musik an der Hochschule für Musik Mainz die Treppen ominös zu Langs Musik heruntersteigen. Bekleidet sind sie mit Trenchcoat und Hut. Überhaupt – dem Regisseur fallen viele gestalterische Momente ein, die nicht immer gleich zu deuten sind, aber bei längerem Nachdenken deutbar werden.

Kateryna Kasper (Anima / die Seele) und Julian Prégardien (Corpo / der Körper); Foto © Barbara Aumüller

Anima, die Seele, gesungen und grossartig gespielt von Kateryna Kasper, Mitglied des Opernstudios, begeistert. Ausgerechnet sie, die weibliche Seele, wird gequält, obwohl sie oft zur Umkehr mahnt. Unglaublich der Aufstieg dieser jungen Sängerin.

Corpo, der Körper, ist Julian Prégardien, der seit Jahren zum Ensemble gehört, dieses aber jetzt verlässt. Auch er intoniert wunderbar. Auch er hat einen forschen Aufstieg: beteiligt an einer CD mit Cecilia Bartoli, beteiligt an der Auszeichnung ECHO Klassik von Glucks „Ezio“- CD.

Das gesamte Gesang-Ensemble in vorzüglicher Gesangs- und Spielmotivation!

Ein interessanter, wenn auch anstrengender Opernabend, der noch am morgigen 7. Juli 2013 um 19.30 Uhr im Bockenheimer Depot zu erleben ist. Schade, dass die Produktion in der kommenden Spielzeit wohl nicht mehr zu sehen sein wird.

 

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