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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 5

Ein Reisebericht

5. Teil: Sevilla (2)

Text und Fotos: Renate Feyerbacher

Archivo de Indias

Gleich neben der Kathedrale befindet sich das Archivo de Indias, die ehemalige Casa Lonja de Mercaderes. Dieser wuchtige Bau, ehemals Warenbörse, am Plaza de Triunfo, gehört wie die Kathedrale und der Alcázar zum Weltkulturerbe.

Treppenhaus Archivo de Indias

Alle wichtigen Dokumente die Entdeckung und die Verwaltung des südamerikanischen Kolonialreiches betreffend sind hier unter anderem in kilometerlangen Regalen aus kubanischem Mahagoni mit Pilastern untergebracht. Besondere Stücke liegen in Vitrinen und können bestaunt werden. Das Generalarchiv der Neuen Welt beherbergt um die 43.000 Aktenbündel mit jeweils etwa 1000 beidseitig beschriebenen Blättern und tausenden von Weltkarten. Seit 1986 werden die kostbaren Akten digitalisiert, um sie den Wissenschaften zugänglich zu machen. Ein Muss für Sevilla-Besucher.

Anschließend spazieren wir durch eine feine Geschäftsstrasse, deren Schaufenster anlässlich von Corpus Christi – oft mit religiösen Figuren – festlich geschmückt sind und um die Wette buhlen, welches denn das schönste sei.

Ein Designerladen neben dem andern, ein Brautgeschäft neben dem andern, mit den tollsten Hochzeitskleidern, ein Laden mit Kinderkleidung neben dem andern reihen sich hier aneinander. Wir fragen uns, wer die horrenden Preise für Kindersachen, Kleidchen von 80 Euro aufwärts, bezahlt?

Casa Pilatos, Plaza de España

Am Rande des jüdischen Viertels liegt die Casa Pilatos am gleichnamigen Platz. Erbaut wurde er vom Marqués de Tarifa nach einer Jerusalemreise und ist Residenz der Herzöge von Medinaceli und Alcalá.

Innenhof

Sehr harmonisch wirkt der Stadtpalast, der 1519 erbaut wurde. Der Bauherr war begeistert von der italienischen Hochrenaissance und beauftragte auch italienische Handwerker. Zweigeschossige Arkaden umlaufen den Hauptinnenhof, den Mittelpunkt der Anlage. Ein Brunnen mit Januskopf, eine Figur der kriegerischen Minerva – griechisch Pallas Athene – und Büsten römischer Kaiser sowie Karls V., schmücken ihn. Schön auch die maurischen, mudéjarischen Elemente.

Eine hölzerne Kassettenkuppel kann beim Aufstieg in das Obergeschoss bewundert werden. Überhaupt die Decken der Zimmer – eine Augenweide.

So auch die Wände mit ihren Fliesen und Stuckarbeiten.

Vom Hotel aus machen wir einen Spaziergang durch Parkanlagen mit wuchtigen Palmen, vorbei an der Universität zum Plaza de España. Es ist der Bereich Parque María Luisa, in dem auch das Archäologische Museum und das Museum für Volkskunst und Brauchtum liegen. Die prächtigen Baumalleen wirken wohltuend gegen die grosse Hitze.

Die halbkreisförmige Plaza de España, erbaut im Neu-Mudéjar-Stil anlässlich der iberoamerikanischen Ausstellung 1929, ist ein beliebter Platz auch für Sevillaner.

Am Sockel des Gebäudes sind 52 spanische Provinzen auf azulejos, auf Kacheln, dargestellt.

Torre del Oro, Stierkampfarena, Tirana, Hospital de la Caridad, Centro Andaluz de Arte Contemporáno

Tags darauf sind wir schon früh auf den Beinen. Der weitläufige Rundgang zum Torre del Oro am Guadalquivir aus dem 13. Jahrhundert, vorbei am etwa 1800 Besucher fassenden Opernhaus Teatro de la Maestranza (eröffnet 1991), dessen spektakuläre Rheingold-Inszenierung 2010 auch hierzulande Begeisterung auslöste, zur Stierkampfarena, über die Brücke Puente de Isabell II, auch Triana genannt, zum gleichnamigen Stadtteil auf der andern Seite des Flusses und wieder zurück über die Puente de San Telmo, ist ein Kraftakt. Aber er lohnt sich.

Der Torre del Oro birgt das Museum der Seefahrtsgeschichte von Sevilla. Hier am Ufer ankerten die Schiffe, die in die Neue Welt ausliefen und mit Waren zurückkamen.

Torre del Oro

Ein besonderes Erlebnis ist der Besuch der Stierkampfarena und des Museo Taurino, die nur mit Führung möglich sind. Uns führte eine sehr engagierte Dame. Alle Fragen zum Thema Stierkampf und seine Geschichte, die gestellt wurden, wusste sie zu beantworten.

Wenig Zeit blieb jedoch, um Goyas Bilder-Serie „Tauromaquia“ von 1815/1816 anzusehen. Die Dame machte es möglich, dass wir sie mit der nächsten Führung noch einmal länger betrachten konnten.

Den Besuch eines Stierkampfes lehnen wir allerdings ab.

Wie ausgestorben kam uns Triana vor. Auch hier wieder eine Fülle von Sehenswürdigkeiten. Wir kehren ein in eine typische Tapas-Bar, deren Wand mit Heiligenbildern geschmückt ist. Sie ist ein Treffpunkt der Nachbarn. Die Bedienung ist höflich schroff. Ungewöhnlich ist es für uns, dass Leute ihr Papier einfach auf die Erde werfen. Die originelle Schmuddelligkeit ist verkraftbar. Die Tapas schmecken und bezahlt werden muss beim alten Chef in einem Sessel in der Ecke.

Tapas-Bar

Unser Tag endet im Hospital de la Caridad, das früher Kranke und Obdachlose und heute alte Menschen beherbergt. Der Innenhof und die Kirche des Hauses spenden Schatten und Ruhe nach dem anstrengenden Rundgang.

Don Miguel de Mañara, in Sevilla geboren, gründete das Hospital 1664 nach einem lasterhaften Leben. Blickfang im Innern der Hospitalkirche mit vielen Kunstschätzen sind der Hochaltar, die „Grablegung Christi“ von Pedro Roldán, der auch einen Turbantragenden verewigt hat, dahinter das Gemälde „Kreuzabnahme“ von Valdés Leal, von dem auch andere dramatische, realistische Gemälde im Seitenschiff hängen.

Die Seitenwände schmücken fein gemalte Altarbilder von Bartolomé Esteban Murillo (1617 bis 1682), die sich alle mit dem Thema Nächstenliebe befassen.

„Die Heilige Elisabeth pflegt die Aussätzigen“

Wie wir erfahren, sind auch Kopien darunter. Per Dekret mussten Anfang des 19. Jahrhunderts echte Murillos den Briten übergeben werden. Die Originale sind heute in Washington, London, Ottawa und St. Petersburg. Die leeren Wände wurden mit Murillo-Kopien von 2008 wieder geschmückt.

Und noch etwas schaffen wir an diesem Tag: Wir suchen nach kleinen Geschenken und finden in der Callejon de Agua einen Laden mit wunderschönen Fächern. Wir erfahren von der Dame, einer Künstlerin, dass sie Fächer selbst bemalt – auch nach Wünschen der Kundschaft – und diese signiert. In dieser Gasse findet sich auch ein Erinnerungsrelief an Washington Irving, den amerikanischen Schriftsteller, der Anfang des 19.Jahrhunderts in Sevilla war.

Als Opernfan begeisterte mich natürlich in dieser Gasse das Carmen-Schild:

Es besagt, dass Don José der rassigen Carmen zum ersten Mal in einer Taberna in dieser Gasse begegnete. Ihr Schicksal ist bekannt. Sie wurde von ihm ermordet. Der französische Komponist Georges Bizet machte sie mit seinen Melodien aber unsterblich.

Centro Andaluz de Arte Contempráno

Einen letzten Ausflug machen wir noch einmal auf die andere Seite des Guadalquvir. Mit dem Stadtbus C4 fahren wir zunächst durch das Viertel La Macarena, Ort der ältesten Bodega der Stadt. Wir sehen die almohadische, hunderte Meter lange Stadtmauer. Am Puente de la Cartuja steigen wir aus und gehen über die Brücke, über die wir uns bei grösster Hitze schleppen. Von hier aus sehen wir die verbliebenen Gebäude der Expo von 1992, die aus Anlass der 500-Jahrfeier der Entdeckung Amerikas stattfand. Von der Isla de Cartuja brach Kolumbus auf.

Unser eigentliches Ziel ist aber das Centro Andaluz de Arte Contempráno (CAAC), das in einem ehemaligen Kloster, das später als Keramikfabrik genutzt wurde, untergebracht ist. In diesem Kloster soll sich Kolumbus auf die Reise vorbereitet haben.

Hier sehen wir unter anderem in einer aktuellen Ausstellung Werke von Fiona Tann, die von der Kasseler documenta bekannt ist, eine Kollektion von Fotos mit dem Thema „The Idea of Latin America“, darunter Marta Minujins Foto-Perfomance mit Andy Warhol, und postkoloniale Fotos von Maryam Jafri.

Noch einmal essen wir im Restaurant San Marco im Barrio De Santa Cruz, einem ehemaligen arabischen Baño aus dem 12. Jahrhundert, um dann mit dem Abendzug nach Córdoba zu fahren

San Marco

Fazit: Wir sind uns bewusst, dass wir nur einige wichtige Sehenswürdigkeiten von Sevilla erreichten. Unerschöpflich ist das Angebot von Kirchen, Klöstern, Museen, wunderschönen Häusern mit ihren Innenhöfen. Von einladenden Cafés, tollen Tapas-Bars und Geschäften.

Sevilla, die viertgrösste Stadt Spaniens, hat etwa so viele Einwohner wie Frankfurt am Main und im Ballungsraum um die 1,7 Millionen.

Hier wie in anderen spanischen Städten brodelt es. Hier erlebten wir eine Demonstration der Universität, von Studenten und Lehrpersonal. Auf ihren T-Shirts und Plakaten protestierten sie gegen Privatisierung der Universitäten, gegen Einsparungen und für die Qualität der Ausbildung. Beni, ein junger Spanier, berichtete uns nachher von den drastischen Gehaltskürzungen bei den Professorengehältern. Er beklagte die Schere zwischen Oben und Unten, die immer grösser würde, und das zunehmende Fehlen der Mittelschicht.

Palacio de San Telmo, Sitz des andalusischen Ministerpräsidenten

Protestcamp der Gewerkschaften vor dem Sitz des andalusischen Ministerpräsidenten

→ Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 6 (Córdoba)

→ Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 4 (Sevilla Teil 1)

→ Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 1 (Málaga)

 

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