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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Kaminski ON AIR – Der Ring des Nibelungen

Ein Saal wie Walhall

Von Renate Feyerbacher

Richard Wagner im Jahr 1871, Foto von Franz Hanfstaengl (1804 bis 1877), Nachweis: wikimedia commons

Es wagnert überall im deutschen Kulturbetrieb. Denn es wird an den 200. Geburtstag des bedeutenden wie mancherorts umstrittenen Komponisten Richard Wagner erinnert, der am 22. Mai 1813 in Leipzig zur Welt kam.

Die Oper Frankfurt präsentiert nun fast auf den Geburtstag genau Wagners Frühwerk „Rienzi, der letzte der Tribunen“ konzertant in der Alten Oper und ferner „Kaminski ON AIR – Der Ring des Nibelungen“, ein dreidimensionales Hörspiel-Theater im Bockenheimer Depot.

Eine ideale Stätte für dieses Spektakel, von der Stefan Kaminski schwärmt: „Ein Saal wie Walhall“. Grandios, wenn der Schauspieler das Wort Walhall mehrfach durchs Mikrofon lallt, prustet, schreit, wie es widerhallt in diesem ehemaligen Strassenbahndepot. Fast Gänsehaut erzeugend. Das hat was. Perfekt sind Sounds, Lichtdesign und -technik sowie Bühnentechnik.

Bockenheimer Depot, heute eine Spielstätte der Städtischen Bühnen Frankfurt am Main; Foto: Michael König/wikimedia commons GFDL

Aber zurück zum Anfang:

Stefan Kaminskis Frage zu Beginn von „Rheingold“ – Vorabend zum Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen“, ob denn nun alle den „Ring“, den umjubelten Nibelungen-Zyklus der Regisseurin Vera Nemirova, gesehen haben, wird vom Publikum mehrheitlich mit „Ja“ beantwortet.

Dann kann es losgehen, denn Erklärungen erübrigen sich.

Auf der Bühne des Bockenheimer Depots wimmelt es von Technik, mehrere Mikrofone sind zu erkennen. Mittenrein setzt sich Stefan Kaminski. Ihn umgeben Percussion-Instrumente, ein Kontrabass, ein E-Cello, ein Biocello, gespielt von Sebastian Hilken, und eine Glasharfe, auch Gläserspiel genannt, die Hella von Ploetz zum Klingen bringt. Den Rhein gibt sie auch noch.

Es blubbert, es plätschert, es zischelt, dazwischen die kecken, ausgelassen Lockrufe der drei Rheintöchter, die ihre Aufgabe, das Rheingold zu hüten, vernachlässigen, und Zwerg Alberichs wirsche Antworten. Dann schallt Alberichs Fluch auf die Liebe durch die Halle.

Er hat das Gold geraubt. Panik unter den Schönen des Rheins.

Alle Stimmen, alle Rollen werden von Stefan Kaminski realisiert. Das geht in schnellem Tempo.

Stefan Kaminski am 11. Mai 2013 nach der Vorstellung; Foto: Renate Feyerbacher

Stefan Kaminski, 1974 geboren, ist kein Unbekannter. Er begann beim Hörfunk, absolvierte ein Schauspielstudium an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin und spielt am dortigen Deutschen Theater, wo er 2004 die Idee von ON AIR entwickelte. Im Film „The Muppet’s“ (2012) ist er die Stimme von Kermit, dem Frosch. Eine andere TV-Produktion, in der er dabei war, kam auf die Liste des Adolf Grimme-Preises. Für seine Hörfunkproduktion „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ von Christine Nöstlinger erhielt er den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Und eine weitere Produktion wurde für den Deutschen Hörbuchpreis nominiert.

Zurück zum Kaminski-Rheingold im Bockenheimer Depot: Gott Wotan streitet mit seiner Angetrauten Fricka um deren Schwester Freia. Diese kreischt hysterisch, weil sie den Riesen als Lohn für den Bau von Walhall versprochen wurde und übergeben wird. Fricka wird sofort zu einer alten Fratze, Wotan sabbert plötzlich, denn Freia garantierte den Göttern ewige Jugend. Loge weiss Rat. Er bietet den Riesen das Gold, das er Alberich listig zusammen mit Wotan entreisst. Kaminski gelingt es, dies alles spannend, immer wieder in ein anderes Mikrofon sprechend, die Stimme verändernd zu gestalten. Diese Wandlungsfähigkeit der verschiedenen Stimmlagen ist enorm.

Kaminskis „Ring“ ist keine Opernparodie, denn nur selten klingt musikalisch ein Wagner-Motiv an, und auch die Texte sind neu, sind aber dem Duktus Wagner’scher Sprache verpflichtet.

Neunzig Minuten hält dieser sprachliche, stimmliche Wahnwitz an, der durch Mimik treffend unterstützt wird. Nicht nur für Kaminski ein irrsinnig anstrengender Abend, sondern auch fürs Publikum, das sich schnell auf die Veränderungen einstellen muss. Vorkenntnis ist gut. Tobender Applaus, als das schweissgebadete Multitalent Kaminski sich am Ende verneigt.

Dieser Riesenspass mit grandioser Effekttechnik kann ab 25. Mai 2013 noch einmal an vier Abenden komplett als Ring-Zyklus erlebt werden.

Dabei gesellen sich auch noch andere Musiker und Instrumente hinzu wie Tuba, Keybord und Posaune beziehungsweise Geräuschmacher wie Nadelklavier und Gartenschlauch.

 

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