home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Rienzi, der letzte der Tribunen“ – Oper von Richard Wagner

Konzertante Koproduktion von Oper Frankfurt und Alte Oper Frankfurt

Von Renate Feyerbacher
Fotografien: Wolfgang Runkel / Oper Frankfurt

Musikalisch wieder ein Höhepunkt.

„Rienzi“ ist Wagners dritte vollendete Oper nach „Die Feen“ und „Das Liebesverbot“. Bei ihrer Uraufführung 1842 in Dresden war sie erfolgreich. Sie bescherte dem neunundzwanzigjährigen Komponisten den musikalischen Durchbruch.

Claudia Mahnke (Adriano; sitzend) und Peter Bronder (Rienzi) sowie das Frankfurter Opern- und Museumsorchester; Foto © Wolfgang Runkel

Die lange Ouvertüre, deren Einleitungsmotiv im Ohr blieb und bleibt, nimmt alle anderen Motive der Oper vorweg. Wie fast alle seine Werke strotzte die Oper vor Überlänge, aber selbst die gekürzte Form von drei Stunden erfordert Geduld.

Extrem ist die Musik, wenig einfühlsam, sehr laut, mit vielen Sprüngen, dem Monumentalen äusserst verpflichtet, so wie es das damalige Opernpublikum wünschte. „Schreihals“ wurde Rienzi genannt.

Die Musik ist eine Mischung verschiedener Kompositionsstile. Der Einfluss anderer Komponisten ist hörbar. Nur manchmal klingt der zukünftige Wagner an.

Christiane Libor (Irene) und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester; Foto © Wolfgang Runkel

Zur Historie und dem Libretto:

Cola di Rienzo ist eine historische Figur im Rom des 14. Jahrhunderts. Der Politiker und Volkstribun wurde von den einen als Humanist verehrt, von den andern als Tyrann gehasst. Am 8. Oktober 1354 wurde er ermordet, seine Leiche geschändet.

Seine humanistische Idee war, die Rechte der römischen Bürger zu stärken und die Macht des Adels zu brechen. Aber er wendet sich nicht gegen deren Klasse, sondern gegen deren zügellosen Lebensstil. In der Tat muss es, nachdem Rienzo Gesetze erlassen hatte, eine Rechtssicherheit gegeben haben. Selbst der bedeutende Dichter und Humanist Franceso Petrarca bewunderte ihn, und das Volk unterstützte ihn.

Dann forderte Cola di Rienzo Souveränität für Rom vom Papsttum, das zwischen 1309 und 1377 seinen Sitz im französischen Avignon hatte, und vom Kaisertum. Und er wollte die Einheit Italiens. Das gefiel den Vertretern dieser Institutionen nicht, obwohl er dem Papst immer seine Loyalität versicherte.

Nach der blutigen Auseinandersetzung mit dem Hochadel, bei der es viele Tote gab, ereilte ihn der Bann des Papstes und er floh, lebte als Eremit, kehrte kurz nach Rom zurück und floh erneut, nach Prag, wurde dem Papst in Avignon ausgeliefert, aber dann als „Werkzeug“ in Rom gebraucht. Er wurde Senator, war aber nur eine Schachfigur. Es kam zum Prozess, den der Hochadel angestachelt hatte und das Volk jetzt unterstützte. Bei Gericht wurde er von einem Bürger ermordet.

Diese historische Figur wurde im 19. Jahrhundert zunächst von Mary Russel Mitford in einer Tragödie (1828) und sieben Jahre später von Edward Bulwer-Lytton in einem mehrbändigen Roman, der bald ins Deutsche übersetzt wurde, verewigt. Auch der Philosoph, Historiker, Journalist und kommunistische Revolutionär Friedrich Engels (1820 bis 1895) entwarf einen dramatischen Text.

Richard Wagner nahm Bulwer-Lyttons Romanvorlage, die historisch nicht korrekt ist, für sein selbst geschriebenes Libretto, das es ebenfalls mit der Historie nicht ernst nimmt. Aus Cola di Rienzo macht er einen sympathischen Rienzi und lieferte noch eine inzestiöse Geschichte dazu. „So bestimmte mich in allen Teilen meines Vorhabens stets nur der Stoff, aber ich bestimmte den Stoff wiederum nach der einzig mir vorschwebenden grossen Opernform“ (zitiert nach Programmheft).

Das Libretto, weil es einen grossen historischen Zeitsprung aufweist, ist auch nicht schlüssig. Warum muss dieser Mann, der Rom so liebt, für Rom kämpft, der sympathisch ist, denn fallen? War das blutige Gemetzel gegen den Hochadel nicht eine historische Notwendigkeit, um Freiheit zu erlangen, wie es der Volkstribun darstellte?

Theodor W. Adorno spricht in seinem „Versuch über Wagner“ von der „Wagner’schen Freiheitskulisse“ (zitiert nach Programmheft).

Sebastian Weigle (Musikalischer Leiter) und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester; Foto © Wolfgang Runkel

Die Solisten, der Chor und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester beglücken mit einem überwältigenden Opernabend.

Für den Engländer Peter Bronder ist Rienzi ein Rollendebüt. Seine Stimme bewältigt diese anstrengende Partie, die einen Grossteil der Oper ausmacht, mit Bravour. Er dämpft sie immer wieder und macht auch feinere Töne hörbar. Der Tenor singt in der aktuellen „Rheingold“-Aufführung an der Staatsoper Berlin den Mime, den Bruder von Alberich, den wiederum Johannes Martin Kränzle gibt. Bronder agiert an den renommiertesten Opern- und Konzerthäusern der Welt unter der Leitung namhafter Dirigenten.

Adriano aus dem adeligen Hause Colonna, zunächst ein Unterstützer Rienzis, dann sein Gegenspieler, ist eine Hosenrolle. Sie wird gesungen vom Ensemblemitglied Claudia Mahnke, die bereits im „Ring“ an der Oper Frankfurt begeisterte. Sie, die Mezzosopranistin, die in diesem Jahr erstmals in Bayreuth singt, versetzt in Atemlosigkeit. Wie hat sich diese Stimme entwickelt!

Beifallsstürme für sie, aber auch für Christiane Libor als Irene, Schwester von Rienzi, die stimmlich eine ungeheure Höhe erklimmt. Beifall für Falk Struckmann, den Kammersänger der Berliner und der Wiener Staatsoper, wuchtig in der Rolle des Stefano Colonna, und Beifall für Ensemblemitglied Daniel Schmutzhard – bösartig in der Rolle des Paolo Orsini.

Das Orchester unter Generalmusikdirektor Sebastian Weigle und der Chor – einstudiert von Matthias Köhler -: formidabel!

Vorne v.l.n.r.: Peter Bronder (Rienzi), Claudia Mahnke (Adriano), Christiane Libor (Irene), Sebastian Weigle (Musikalischer Leiter), Falk Struckmann (Steffano Colonna), Daniel Schmutzhard (Paolo Orsini), Beau Gibson (Baroncelli), Peter Felix Bauer (Cecco del Vecchio) und Alfred Reiter (Raimondo) sowie dahinter das Frankfurter Opern- und Museumsorchester und den Chor der Oper Frankfurt; Foto © Wolfgang Runkel

„Rienzi“ ist noch einmal am Montag, den 20. Mai 2013, 18 Uhr mit diesem fantastischen Team in der Alten Oper Frankfurt zu hören.

 

Comments are closed.