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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Hessischer Film- und Kinopreis 2012

Glanzvolle Preisverleihung in der Alten Oper Frankfurt

Text und Fotos: Renate Feyerbacher

Hoch elegant stieg die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva Kühne-Hörmann, in den Aufzug. Den fragenden Blick „Ist sie es oder nicht?“ beantwortete sie lachend: „Ja, sonst sehen Sie mich anders“.

Viele Damen in schönen, langen Roben waren am 12. Oktober 2012 über den Roten Teppich vor der Alten Oper Frankfurt gegangen. Mehr Eleganz als früher war zu bewundern. Ein wahrer Höhepunkt der beginnenden Festivalsaison war die Preisverleihung, die Adnan Maral geschickt moderierte. Vorher hatte er die beteiligten Künstler auf Kürze eingeschworen. Umso länger konnte später gefeiert werden.

Die deutsch-iranische Schauspielerin und Sängerin Jasmin Tabatabai, die 2012 mit dem ECHO Jazz ausgezeichnet wurde, belebte das Fest zusammen mit dem Spardosen Terzett musikalisch.

Kühne-Hörmann, Bouffier, Elsner, Michelsen, Berkel, Maral, Laudatorinnen

Das Filmland Hessen hat sich national und international behauptet. Immer beliebter wurde Frankfurt am Main als Drehort. Wie Kühne-Hörmann mitteilte, werden die Biennale des bewegten Bildes im Dezember sowie die Gespräche mit der Filmbranche über mittelfristige Filmförderung und die Weiterentwicklung zu einer Film-und Medien GmbH den Standort Hessen noch mehr stabilisieren.

Seit 1989/1990 vergibt das Land Hessen den Hessischen Film- und Kinopreis, der jährlich vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Zusammenarbeit mit der Hessischen Filmförderung verliehen wird. 185.000 Euro waren in diesem Jahr in der Preis-Schatulle.

Den Hessischen Filmpreis Kategorie Spielfilm erhielt „Lore“, eine deutsch-australische Produktion der Regisseurin Cate Shortland (*1968), die im Jahre 1945 spielt. Es ist das Ende Hitler-Deutschlands aus Sicht der Kinder ranghoher Nazis. Die Jury lobte „Lore“ als filmisches Meisterwerk: die exzellente Fotografie, den hervorragende Ton, das durchkomponierte Dekor, vor allem aber die „herausragende Schauspielführung und die Kunst des geschickten erzählerischen Weglassens“, die „ein fast mythisches Bild von der Odyssee dieser Kinder durch ein innerlich und äusserlich verwüstetes Land“ erzeugen.

Heike Makatsch, eine der besten ihrer Zunft, selbst unter den Nominierten für den Preis „Beste Schauspielerin“, fand eindrucksvolle Wort als Laudatorin.

„Lore“, der ab 1. November im Kino gezeigt wird, bekam beim 65. Filmfestival in Locarno den Publikumspreis.

Zwei witzige Animations- Kurzfilme wurden ausgezeichnet: Das Teeager-Drama „Nadja und Lara“ gewann den Preis für den „Besten Hochschulfilm“. Es ist die Bachelor-Arbeit an der Hochschule Darmstadt von Sinje Köhler (*1988). Er erzählt die Geschichte zweier Mädchen aus einer Trabantenvorstadt, so wie es viele gibt. Die filmischen Kostproben der alltäglichen Banalitäten bei der Preisverleihung machen neugierig. Eindrucksvoll und wohl verdient.


Sinje Köhler

„Die sehr eigene, autodidaktisch wirkende Regie trifft in ihrer modernen Filmsprache den Nerv der von ihr beschriebenen Generation und zeichnet aus einer klaren und mutigen Erzählhaltung heraus ambivalente Charaktere genau, vielschichtig und voller Mitgefühl“, urteilt die Jury.

„Vergiss Mein Nicht“ von David Sieveking erhielt den Preis in der Kategorie Dokumentarfilm. Darin begleitet er mit der Kamera sehr einfühlsam, wie die Demenz langsam von seiner Mutter Gretel Besitz ergreift. Ein sehr persönlicher Film, der alle Familienmitglieder einbezieht und Familiengeschichte erzählt. Die Dokumentation wurde auch beim 65. Filmfestival in Locarno im August 2012 mit dem Kritikerpreis ausgezeichnet.

Noch hat das Drehbuch für einen Spielfilm mit dem Titel „EINWÄRTS“  von Astrid Rieger, das den Preis gewann,  keinen Filmproduzenten gefunden. Die Jury war begeistert von der Geschichte, die vom Weggehen und vom Wiederkommen zwischen Mutter und Tochter erzählt. Ein verlassenes Dorf in Siebenbürgen ist der Schauplatz.

Regisseur Andreas Dresen

Kein Geringerer als der Regisseur Andreas Dresen (*1963) hielt die Laudatio für den Hessischen Kinokulturpreis. Die Liste seiner Filme und seiner Preise ist ellenlang; letzte Filme, die in aller Munde sind: „Sommer vorm Balkon“, 2005, „Wolke Neun“, 2008, „Halt auf freier Strecke“, 2011 (Uraufführung in Cannes, Deutscher Kritikerpreis, Deutscher Filmpreis). Seit 1999 regnet es einen Preis nach dem andern für den Filmemacher.

95.000 Euro wurden an gewerbliche und kommunale Kinos verteilt. Die gewerblichen Kinos Traumstern in Lich und das Capitalkino in Witzenhausen waren die grossen Gewinner, ebenso wie die kommunalen Häuser Kino Weiterstadt und Filmforum Höchst, eine Einrichtung der Volkshochschule Frankfurt am Main, die Klaus-Peter Roth, ein grosser Kenner der Filmlandschaft, verantwortet.

Claudia Michelsen

Ihre Darstellung der Ehefrau Anne Hoffmann in dem Fernseh-Zweiteiler „Der Turm“, für die sie den Hessischen Fernsehpreis „Beste Darstellerin“ erhielt, war grossartig. Wie überhaupt diese Produktion unter der Regie von Christian Schwochow  eine Sternstunde des ARD-Fernsehens ist.

Die Dresdnerin Claudia Michelsen spielt neben Josef Liefers, ihrem Ehemann Richard, einen Menschen und keine Rolle. „Der Turm“ von Uwe Tellkamp, Suhrkamp Verlag, Deutscher Buchpreis 2008, erzählt von den Ereignissen der letzten sieben DDR-Jahre. Im Mittelpunkt stehen die Familie Hoffmann und ihre Freunde, die im „Turm“ genannten Dresdner Villenviertel, das überwiegend von Bildungsbürgern bewohnt wird, leben.

Lang ist die Liste von Claudia Michelsens Filmografie und die ihrer Theaterrollen. Sie erlaubte sich einen kurzen Dank an ihr Team, zu dem Sebastian Urzendowsky gehörte, der in der Kategorie „Bester Schauspieler“ nominiert war. Ihr kritisches Auge taxierte das Geschehen auf der Bühne der Alten Oper nach der Preisverleihung mit feinem Lächeln. Sie freute sich über Lob von unbekannter Seite. Sehr sympatisch, diese grosse Künstlerin.

„Die Minimalistin“ wird sie genannt. „Der seltene Glücksfall einer Schauspielerin, die nicht gross zu sein scheint wegen dem, was sie tut, sondern dem, was sie nicht tut,“ schreibt die Jury. Autor Uwe Tellkamp war begeistert von ihr.

Den Preis „Bester Darsteller“ ging an Stipe Erceg, der nicht kommen konnte. Er wurde für seine Rolle als Hannes im Film „Blaubeerblau“ ausgezeichnet. Er ist Gast in einem Sterbehospiz und ist auf der „Zielgeraden des Lebens“. Zynisch, verbittert und zornig ist er, aber mit Würde verkörpert er „die Figur des Totgeweihten auf dem schmalen Grat zwischen Tragik und Komödie“ (Jurybegründung).

Herbert Knaup

Eigentlich war nun die Preis-Schatulle leer, aber die Jury wollte noch ihren Sonderpreis für den Fernsehbeitrag der ARD „Mittlere Reife“ (Hessischer Rundfunk) aussprechen, weil sie an diesem Ensemble nicht vorbeikomme.

Da spielen sich fünf junge Schauspieler „förmlich in einen Rausch“. Mit von der Partie Herbert Knaup, der Laudator, bekannt aus dem Film „Lola rennt“ und jetzt in „3 Zimmer/Küche/Bad“ und „Schutzengel“ in den Kinos zu sehen.

Für die Beste Internationale Literaturverfilmung wurde Stephen Daldry für „Extrem laut & unglaublich nah“ nach dem Roman von Jonathan Safran Foer ausgezeichnet. Er schildert, wie ein elfjähriger Junge nach den Geschehnissen von 9/11, dem Terroranschlag auf das World Trade Center, traumatisiert durch New York irrt.

Daldry, der ein Staraufgebot von Schauspielerinnen und Schauspieler zur Verfügung hatte, habe durch Reduktion keine klassische Literaturadaption gebracht, sondern ein eigenes Meisterwerk geschaffen, lobte Juergen Boos, der Direktor der Frankfurter Buchmesse und Pate des Hessischen Film- und Kinopreises. Bekannt bei uns wurde Daldry, ein ausgebildeter Zirkusclown, durch seinen Film „Der Vorleser“. Er wurde mehrfach für den Oscar nominiert und war der Produzent und Regisseur der Eröffnungs- und der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in London.

Hannelore Elsner mit Sohn

„Hannelore hier, nach rechts, mit Sohn“ usw. riefen die Fotografen der Schauspielerin Hannelore Elsner zu, die sich gerne medienfreundlich kommandieren liess.

Zuvor hatte der Laudator, der Verleger Joachim Unseld, überschwänglich seine Freundin gepriesen, die den Ehrenpreis des Hessischen Ministerpräsidenten erhielt. „Alles auf Zucker“ und „Kirschblüten – Hanami“ sind neuere Filme der Geehrten, die bereits 1959 ihren ersten Film drehte. Zur Zeit läuft in den Kinos „Wer’s glaubt, wird selig“. Das Lexikon des Internationalen Films schreibt darüber: „Die zwischen Heimatfilm und Bauernschwank pendelnde Komödie mixt einen Cocktail aus Bigotterie, hinter der sich handfeste wirtschaftliche Interessen tarnen. Zwar driftet der Film nicht in Klamauk ab, kann jedoch den Figuren über klischeehafte Typisierungen hinaus kein Profil verleihen“.

Noch zwei Begegnungen am Rande des Festes: Günter Lamprecht (* 1930):

Günter Lamprecht und Frau

Er war einer der Stars des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder. Er war der Franz Biberkopf in der 14teiligen Fernsehproduktion von Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“, die 1980 vom WDR ausgestrahlt wurde.

Blutjung ist dagegen der andere Schauspieler: Florian Bartholomäi (*1987).

Florian Bartholomäi

Der gebürtige Frankfurter, Sohn eines legendären Musikredakteurs und einer Musikredakteurin des Hessischen Rundfunks, ist bereits Träger mehrerer bedeutender Auszeichnungen. Unter anderem erhielt er für die Nebenrolle in „BLOCH: Schattenkind“ den Hessischen Filmpreis und den Deutschen Fernsehpreis 2009. Die Berliner Morgenpost titulierte „Der stille Star aus Friedrichshain“, dort ist Bartholomäi seit einigen Jahren zuhause.

Der heute 25jährige besuchte übrigens das musische Gymnasium Musterschule in Frankfurt, übernahm schon früh Statistenrollen in der hiesigen Oper, unter anderem in „Cinderella“ von Peter Maxwell Davies. Uber dieses spannende Projekt schrieb ich damals für den Hessischen Rundfunk ein Feature unter dem Titel „Bühnenzauber“.

In dem Film „Stille“, 2012, nach dem Roman von Tim Parks (2006), den der namhafte österreichische Regisseur und Kameramann Xaver Schwarzenberger realisierte, stellt Bartholomäi den Sohn Alex dar. Die beiden, Regisseur und Jungschauspieler, haben soeben im ARD-Studio auf der Buchmesse den Film vorgestellt.

Es war ein glanzvolles Filmfest mit würdigen Preisträgern und grossartigen Projekten, das in einer stimmungsvollen Soiree endete.

→  25 Jahre Hessischer Film- und Kinopreis 2014
→  Hessischer Film- und Kinopreis 2013

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