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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Absolventenausstellung 2012 „Zauderberg“ der Städelschule im MMK-Zollamt (1)

Von Erhard Metz

„Zauderberg“ – kommt einem irgendwie bekannt vor. Klar, wir denken an Thomas Manns 1924 erschienenes, noch heute legendäres Meisterwerk „Der Zauberberg“. Ein Jahrhundertroman, der die geistesgeschichtliche wie gesellschaftspolitische Entwicklung Europas hin zum Inferno des Ersten Weltkriegs aufzeigt. Und natürlich denken wir an den „jugendlichen Helden“ des Romans, Hans Castorp, den es sieben Jahre lang (es wären umgerechnet 14 Semester an einer Hochschule) in das weltentrückte Davoser Sanatorium Berghof verschlägt, in welchem er sich nicht ganz unfreiwillig und recht kommod einrichtet, bis ihn der Krieg aus der inzwischen behaglich gewordenen Schein-Welt in ein ungewisses Schicksal reisst …

Der Berghof – die Städelschule? Hans Castorp – ein Städelschüler? Nun, so weit wollen wir im direkten Vergleich natürlich nicht gehen, aber nachdenklich macht es uns schon.

Zehn Semester Regelstudienzeit an der Frankfurter Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – eben jener Städelschule – dann geht es hinaus aus dem vielfältig umhegten Raum des Schulbetriebs in die weite Welt. 18 Absolventen ereilt heuer dieses Schicksal. Zum Abschluss präsentieren sie sich jeweils mit einem Werk, das jetzt – zum vierten Mal und kuratiert von Bernd Reiß – in der MMK-Dependance „Zollamt“ und somit in einem musealen Rahmen und Raum den Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt wird.

Bernd Reiß, Städelschul-Rektor Nikolaus Hirsch und MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer

Mit dieser Präsentation im institutionellen Rahmen eines Museums werde der Kunststudent zum Künstler, die Kunststudentin zur Künstlerin, kennzeichnete Städelschulrektor Professor Nikolaus Hirsch diesen Schritt (auch wenn bereits der eine oder andere der Absolventen im öffentlichen Raum wie beispielsweise unlängst Hannes Michanek im Frankfurter Kunstverein ausstellten). Symbiotisch dabei die Beziehung zwischen Hochschule und Museum: die Absolventen treten endgültig ein in die Welt des Kunstbetriebs, das Museum für Moderne Kunst gewinnt, seinem Auftrag entsprechend, die Möglichkeit, jüngere und jüngste zeitgenössische Positionen dem Publikum zu präsentieren.

Wieder einmal war der vom Verein Städelschule Portikus e.V. gestiftete, mit 2000 Euro dotierte Absolventenpreis zu vergeben. Die Jury, dieses Jahr Barbara Bernoully (Vorstandsmitglied des Vereins Städelschule Portikus e.V.), Klaus Görner (Kurator am MMK) und Isabelle Graw (Kunstkritikerin und Professorin für Kunsttheorie an der Städelschule), entschied sich einstimmig für Anne Imhof, Meisterschülerin in der Klasse von Judith Hopf, Trägerin des Preises Zonta Art Contemporary 2012. Die Preisträgerin überzeugte mit einer Installation und vor allem mit ihrer Performance.

Performance mit Stabwechsel; rechts: Anne Imhof

Die Begründung der Jury:

„Die ausserordentliche Leistung ihrer Performance „School of the seven Bells 2nd of at least three“, 2012, besteht für uns zunächst einmal darin, dass in ihr kein Zweifel an der grossen Bedeutung von Mitstreiterinnen und „Peergroups“ in der Bildenden Kunst gelassen wird. Auch auf die zentrale Rolle, die Austauschverhältnisse und „Übergaben“ in der Kunstwelt spielen, wird in ihr unausgesetzt hingewiesen. Sie lässt sich als Allegorie des ständigen Geben und Nehmens lesen, das dieses spezifische soziale Universum auszeichnet. Denn der Stab muss, auch in einer Kunstakademie, unausgesetzt weitergereicht werden, wenn auch auf ausgesprochen verdeckte und klandestine Art. Die Choreographie selbst, wie auch das Musikstück mit Gesang zu Beginn der Performance, bleiben in der Schwebe zwischen genauer Inszenierung und improvisatorischen Anteilen. Was uns zuletzt am meisten überzeugt hat, ist die Art und Weise, wie diese Performance eine eigentümliche Spannung herzustellen und Pathos gezielt einzusetzen vermag.“

rechts und mitte: Anne Imhof

In der rund 40minütigen Aufführung aus Musik (Anne Imhof und Stefan Tcherepnin), Gesang der Künstlerin und choreographiertem ruhigem Schreittanz wandeln die Tänzerinnen und Tänzer einzeln oder in Gruppierungen gleichsam auf Lebensbahnen, versammeln sich an bestimmten Punkten, wechseln auf verschiedene Weise kleine silberfarbene Stafettenstäbe (hin und wieder fallen dabei einige klirrend zu Boden), tauschen mitunter ihre Mäntel aus, formieren sich zu sich langsam im Kreise drehenden Quartetten, schreiten wieder auseinander; eine beeindruckende szenische Darstellung eines Aufeinander-Zugehens und Sich-wieder-voneinander-Entfernens, eines Miteinanders, Füreinanders wie auch eines diskursiven Gegeneinanders in einer Gruppe von Menschen, die ein gemeinsames, sinnerfüllendes Etwas zu verbinden scheint.

mitte und vorn: Anne Imhof

An der Performance wirkten ausser der Preisträgerin mit: Leda Bourgogne, Max Brand, Billy Butheel, Ian Edmonds, Genoveva Filipovic, David Imhof, Eva Kruijssen, Veit Laurent Kurz, Erika Landström, Melanie Matthieu, Oona-Léa von Maydell, Julian Nguyen, George Rippon und Lea Welsch.

FeuilletonFrankfurt gratuliert herzlich zum Absolventenpreis!

„Zauderberg. Absolventen der Städelschule 2012“, Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main – Zollamt, bis 11. November 2012

Fotos: Erhard Metz

Fortsetzung – Teil 2

 

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