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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

documenta 13 in Kassel (3)

Es tut sich was im Staatspark Karlsaue …

Er ist fast schon so etwas wie ein Symbol oder Wahrzeichen für die bevorstehende documenta 13 in Kassel: der kahle Baum aus Bronze mit dem wuchtigen Stein in seinem Geäst und dem kleinen lebendigen Trieb zwischen seinen Wurzeln. Am 21. Juni 2010 bereits wurde Giuseppe Penones rund neun Meter hohes Kunstwerk an seinem Platz in der Kasseler Karlsaue, seit jeher Freilicht-Ausstellungsstätte der weltweit bekannten temporären Schau zeitgenössischer Kunst, „eingeweiht“. Wir haben bei unseren Besuchen in der alten Residenzstadt den Eindruck gewonnen, die Kasseläner, Kasselaner und Kasseler (jeweils auch in ihrer weiblichen Form, und bewahren Sie den Autor um Himmels willen vor einer Spezifikation dieser drei Kategorien von Einwohnerinnen und Einwohnern), sie mögen ihn, diesen Baum samt seiner steinernen Last, und identifizieren ihn mit dem herannahenden Kunstereignis. Das Bild des Baumes ist inzwischen um die halbe, wenn nicht die ganze Welt gegangen und ziert Drucksachen des Kasseler Marketings.

Was aber tut sich da auf dem viele Hektar grossen Bowlinggreen (Karlswiese, Kassel-mundartlich auch „Bollengrün“) vor dem Orangerieschloss?

Ein zweigipfeliger Berg wird aufgeschüttet, und bepflanzt wird er auch noch: sehr documenta- und also Kunstwerk-verdächtig. Ist da irgendwo ein Problem? Wohl kaum, ist doch der grosszügig barock angelegte, die ursprüngliche naturgegebene Auenlandschaft vergewaltigende, erst später mit Elementen des englischen Gartens angereicherte (und auch auf diese Weise wiederum vergewaltigte) heutige Staatspark Karlsaue selbst etwas Artifizielles, ein einziges – und einzigartiges – „Kunst“-Werk.

Kilometerlange Wege- und Wasserachsen durchziehen den Park, auf das Orangerieschloss ausgerichtet. Nun fallen uns dort allgegenwärtig Absperrungen und Einzäunungen (wie hier links im Bild zu erkennen) auf – und es entstehen kleine Häuschen in verschiedenen architektonischen Formen und Ausstattungen.

Mit Beginn der documenta sollen Kunstwerke in die Häuschen einziehen, jeweils ein Künstler soll eines mit seinen Arbeiten bestücken. Wir sind gespannt.

Was ist das auf dem Wegekreuz vor dem Gebäudekomplex des Kasseler Staatstheaters? Verdächtig, sehr Kunstwerk-verdächtig! Oben lugen grüne Baumspitzen hervor, die festgezurrte weisse Bespannung erlaubt indes keinen Blick ins Innere, es sei denn, man legte sich flach auf den Boden und lunzte durch den unteren Spalt. Das wollten wir denn doch nicht tun.

Aber auf Giuseppe Penones Bronzebaum zurückkommen wollten wir:

Bereits Ende Juni 2010 wurde die Skulptur, wie schon erwähnt, eingeweiht, am Tag der Sommersonnenwende also, „wenn die Sonne ihren höchsten Stand am Himmel erreicht“, wie documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev damals betonte. „Dieses Kunstwerk“, sagte sie, „feiert die Beziehung zwischen Natur und Kultur in unserer gegenwärtigen Welt aus einer ökologischen Perspektive“. Und Penone führte – wir zitieren aus der documenta-Pressemitteilung – aus: „Das Ziel der Malerei ist es, mit dem Licht der Farbe zu bedecken. Das Ziel der Skulptur ist es, aufzudecken, ans Licht zu bringen … Wenn die Bedeutung des Malens das Bedecken ist und die Bedeutung der Skulptur das Entdecken, dann wird die Malerei durch die Schwerkraft charakterisiert und die Skulptur durch die Kraft, die der Schwerkraft entflieht, die Kraft des Lichts. Das Werk, das ich hier zeige, hat mit beiden Konzepten zu tun. Der Stein ist ein Mineral, und die stabilsten Farben gewinnt man aus Steinen. Der Stein verweist auf die Schwerkraft. Das Pflanzliche entzieht sich der Schwerkraft, es wächst in die Höhe, als direkte Folge des Sonnenlichts. Die Struktur der pflanzlichen Welt wird durch das Licht bestimmt, das das Gewicht der Zweige und Blätter anzieht. Bronzeguss braucht die Schwerkraft und nutzt die Struktur der pflanzlichen Welt, um die flüssige Bronze in der Gussform zu verteilen. Der Mittag des 21. Juni, jetzt, ist der beste und geeignetste Augenblick, um dieses Kunstwerk und seine Intentionen zu präsentieren.“

documenta 13 in Kassel vom 9. Juni bis 16. September 2012

Fotos: FeuilletonFrankfurt

→  documenta 13 in Kassel (1)
→  documenta 13 in Kassel (4)

 

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