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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Städelschule: Rundgang 2012 (3)

Rundgang 2012 – Jahresausstellung der Studierenden der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule

Man sieht: in der Städelschule wird intensiv gearbeitet, sogar mit Pflanzen

Zieht etwa die Botanik als Disziplin in die Städelschule ein? René Schohe befasst sich in einer beim diesjährigen Rundgang ausgestellten Arbeit eingehend mit Desmodium Motorium bzw. Desmodium Gyrans. Solches tat nun lange vor ihm schon ein gewisser Charles Darwin, den besagte Pflanze bereits im Jahr 1855 derart in Bann zog, dass er sich ihrem Studium bis zu seinem Tod im April 1882 widmete, ohne ihr jedoch alle Geheimnisse entlockt zu haben. Oder nach anderer Lesart: Er nahm deren Geheimnisse, die zu den seinigen wurden, mit in sein Grab.

Das Geheimnis von Desmodium Motorium: Das Blattwerk der Pflanze ist zum Teil gefiedert, die Endfiedern sinken abends in einer „Schlafstellung“ in vertikaler Haltung herab, um sich am Morgen wieder in eine horizontale Stellung zu erheben. Und es kommt noch viel toller: Die Seitenfiedern drehen sich, mal schneller, mal langsamer sozusagen um die eigene Achse – ein wissenschaftlich wohl  immer noch ungeklärtes Phänomen. Man nennt Desmodium Motorium „tanzende Pflanze“ und „Telegrafenpflanze“, letzteres in der – vermutlich? – irrigen Annahme, die Pflanzen könnten sich auf diese Weise untereinander verständigen.

René Schohe, tiny dancer, 2012, Desmodium Motorium / Gyrans, Plasma-i AS 1300 Light Engine, Kopien Charles Darwin auf Recyclingpapier

Grund genug also, dass sich ein Künstler mit solch einer Geschichte befasst. René Schohe zieht, mit Hilfe einer energiestarken, solares Licht produzierenden Plasma-i-Lampe, ein solches Pflanzenexemplar im Rahmen einer künstlerischen Aktion auf. Vielleicht gelingt ihm, was Darwin nicht gelang: Desmodium mit Liebe und gutem Zureden oder mit welchen Mitteln auch immer dazu zu erziehen, dass es seine Fiedern auf Kommando seines „Herrchens“ dreht. Warten wir ’s ab!

Übrigens sind wir der Liebe zu Pflanzen in Verbindung mit Kunst schon einmal begegnet: im Frankfurter MMK! Was es nicht alles gibt!

Auch Salomo Andrén arbeitet im Rahmen einer interessanten, aus Tafelbild, Wandmalerei und verschiedenen Objekten bestehenden Installation mit Pflanzen (was unseren eingangs erwähnten Verdacht erhärten könnte).

Salomo Andrén, Installation (Ausschnitt und Detail)

In mehreren Disziplinen zu Hause ist Dekonstruktionskünstler Othmar Farré.  Ob er mit „Viva El Pueblo“ einen heftigen Sturz mit dem Fahrrad künstlerisch verarbeitet hat? Eine schöne Persiflage jedenfalls auf Trend- und Rennsport und manch unvernünftig umweltzerstörende Mountainbiker, die selbst vor Alpengipfeln nicht haltmachen. Ach, und das energiespendende Coca Cola, das uns immer wieder auf den Sattel hilft!

Othmar Farré, Viva El Pueblo

Ebenso witzig wie verstörend auch seine Tafelbilder: Dem „Autisten im Nebel“ hülfe auch die Brille nichts, deshalb hat sie der Künstler auf dem Bilderrahmen abgelegt; und wo wir uns schon im Nebel befinden, schadet es auch nichts, dass dem Rahmen noch einiges an Holz abgeht, man sieht im Nebel ja sowieso nichts.

„Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“ wusste schon Friedrich Schiller (im „Wallenstein“).

Othmar Farré, Autist im Nebel

Auch Schuhe können Kunstwerke sein, zumal solch ein Paar, das es nirgends auf der Welt zu kaufen gibt, weil Filippa Pettersson es allein für sich und ihren Gang durch die Stadt Frankfurt angefertigt hat. Glücklich der Orthopäde, der die Füsse der Künstlerin anschliessend behandeln durfte, ein Grossauftrag, falls privat liquidiert. Den entsprechenden Stadtplan hängt Pattersson praktischerweise gleich nebenan auf, und wir sehen: auf den Farben ihrer Schühchen Rot fahren Omnibusse, auf Grün die S-Bahnen, auf Blau die U- und Strassenbahnen, und Gelb sind die Fussgängerzonen. Aber die Planfolge erscheint uns doch etwas suspekt; von einer Unterquerung der Stadtteile Sachsenhausen und Rebstock/Messe durch den Main wussten wir bislang nicht …

Filippa Pettersson

„Verlassen – suchen – finden – vergessen“. Filippa Petterssons Statement mag zugleich als Motto über dem diesjährigen, uns besonders kreativ aufgeladen erscheinenden „Rundgang“ stehen. Mit einer Massgabe zum „vergessen“: Von sehr vielen der Studierenden werden wir weiter hören – und sehen!

(K)EIN KUNSTWERK (?)

(abgebildete Arbeiten © jeweilige Künstler; Fotos: FeuilletonFrankfurt)

→  Städelschule: Rundgang 2012 (1)
→  Städelschule: Rundgang 2012 (2)

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