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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Reisen: Myanmar / 6

 

Eine Reise durch Myanmar / 6

Text und Fotos: © Ingrid Malhotra

Nach dem Besuch des Marktes in Bagan am letzten Morgen ging es wieder los. Ich wäre am liebsten noch ein paar Tage geblieben, aber die Neugier und das Versprechen, dass noch viele grossartige Höhepunkte folgen würden, trieben mich weiter. Wir fuhren also zum Berg Popa.

Die Fahrt war nicht sehr lang, etwa eine Stunde, und führte durch ziemlich ebenes Gelände, aber man sah weit voraus eine Bergkette aufragen. Auf einem dieser dicht bewaldeten Berge würde mein Hotel für die Nacht sein,

Hotel

aber vor das Hotel hat der Führer den Aufstieg auf den Berg Popa gesetzt. Es handelt sich hier um einen uralten Magmastumpf. Der Vulkan darum herum ist längst erodiert. Da steht einfach – irgendwie völlig unmotiviert – dieser hohe, steile Stumpf mit einem Heiligtum oben drauf.

Berg Popa

Die volkstümliche Erklärung für seine Existenz lautet, er habe sich bei einem Erdbeben vor ca. zweieinhalb Tausend Jahren aus der Erde geschoben. Aber tatsächlich dürfte wohl die Ebene, durch die wir gefahren sind, ein Rest der alten Caldera sein. Jedenfalls liegt eine Menge Lavageröll herum, und der Boden ist eminent fruchtbar. Daher kommt auch der Name: Popa soll von dem alten Sanskrit-Wort für Blume abgeleitet sein, und die Blumenpracht rund um den Berg herum ist wirklich überwältigend.

Nun muss man natürlich hinauf steigen! Die Wände ragen ziemlich senkrecht auf, aber eine lange, lange Treppe windet sich um den Berg. Es war glühend heiss. Aber was tut man nicht alles. Und jedes Mal, wenn ich überlegte, dass das doch alles viel zu anstrengend sei und ob ich wirklich weitergehen sollte, rannte ein krummes altes Mütterlein am Krückstock an mir vorbei.

Also, das ging ja gar nicht. Krumme, alte Weiblein, Mütter mit zwei, drei Babies und Kleinkindern, die alle konnten das schaffen? Dann konnte ich das auch! Gelegentlich legte ich trotzdem eine Pause ein, um die immer grandioser werdende Aussicht zu geniessen, um mit den Äffchen zu spielen, die hier sehr zutraulich sind, um Fotos zu machen.

Autorin mit Äffchen

Ganz oben werden die Stufen dann sehr hoch, sehr ungleichmässig und sehr steil – man hatte sich wohl bei der Anlage der Treppe ein klein wenig verrechnet, und hier am Gipfel reichte der Platz nicht mehr für eine weitere, halbwegs bequeme Serpentine.

Aber endlich war ich oben und konnte das Nat-Heiligtum besichtigen, das den ganzen Gipfel einnimmt.

Im Heiligtum

Die Nats, immer noch populäre Naturgeister, müssen hier sehr, sehr viele Wünsche erfüllen, schliesslich hat man sich auch ja auch gewaltig angestrengt, um zu ihnen zu gelangen…

Aber die Aussicht!

Weit, sehr weit. Berge auf einer Seite, die weite sonnendurchglühte Ebene auf den anderen. Um den Fuss des Berges schmiegt sich ein kleines Städtchen, aber man sieht es kaum von hier oben.

Berg Popa

Dann ging es die Treppe wieder hinunter und zum Hotel, von dem aus man nun allerdings noch einen weit schöneren Ausblick hatte, denn von hier schaute man auf den grandiosen Magmastumpf. Das Abendessen auf der Terrasse mit Blick auf den Sonnenuntergang hinter dem Berg Popa war ein absolut unvergessliches Erlebnis …

Nach dem Frühstück ging es schon weiter nach Pyay.Unterwegs kamen wir durch sehr abwechslungsreiche Ebenen mit Feldern und lichten Wäldern und einem grossen, sehr dekorativen See, dessen Namen ich leider vergessen habe und den ich auch bei google maps nicht einwandfrei identifizieren konnte.

Unterwegs nach Pyay

Das Städtchen Pyay selbst hat nicht sonderlich viel zu bieten. Es gibt eine sehr goldene Pagode, in welcher als Reliquien angeblich ein paar Haare des Buddha aufbewahrt werden

Tempel in Pyay

Hotel

Aber das Hotel war sehr hübsch angelegtund zeichnete sich durch einen gewaltigen Karpfenteich aus. Sowie man am Wasser auftauchte, kamen sie alle hoffnungsvoll angeschwommen und machten ihre Mäuler weit auf, weil sie der festen Überzeugung waren, es gäbe nur einen Grund, am Wasser zu stehen: Karpfen füttern. Ich habe versucht, ihnen zu erklären, dass sie eher dran glauben müssen, wenn sie so viel futtern, aber es scheint sie nicht weiter interessiert zu haben.

Der spannende Teil kam am nächsten Tag, denn in ca. 8 km Entfernung von Pyay liegen die Ruinen der alten Stadt Kri Ksetra. Das war die Hauptstadt der Pyu, eines Königreichs, das bis ca. 656 n.Chr. bestanden haben könnte. Von der Hauptstadt heisst es, sie sei 554 v.Chr. gegründet und in eben dem Jahr 656 n.Chr. wieder verlassen worden. Sonst scheint man nicht allzuviel darüber zu wissen …

Heute ist das hier eine total gottverlassene Gegend, erreichbar nur zu Fuss oder mit dem Ochsenkarren –

Ochsenkarren empfiehlt sich sehr, man weiss ja nicht, was in dem trockenen Gras und Gebüsch so kreucht und fleucht, hm, vor allem kreucht … Und heiss ist es auch.

Muss man oder doch lieber nicht …

Meine Führerin

Was sieht man: Grundmauern, wenige Gebäudereste, eine riesige Stupa, die einen irgendwie bedrohlichen Eindruck macht,

Stupa

Reste der Stadtmauern und eines Palastes, in dem man bei Ausgrabungen in den Neunzigern die ältesten bisher gefundenen Texte in Pali fand – auf Goldblech geschrieben. (Pali ist die Sprache, in welcher die ältesten Aufzeichnungen der Reden Buddhas geschrieben wurden – inzwischen schon seit langem eine tote Sprache.)

Bäuerinnen und Stupas

Ausserdem finden sich Urnen, Reste von Urnenbegäbnissen. Meine Führerin hat behauptet, sie wisse ganz genau, welche Königin in welcher Urne begraben war. Aber in Archäologenkreisen ist man sich eigentlich nur halbwegs sicher, dass die Urnen aus der Gupta-Ära stammen.

Die Inschrift besagt: „Friedhof der Königin Beikthano. Gemäss der Überlieferung ist dies der Friedhof der Königin Beikthano. Diese Stätte ist von der Archäologie ausgegraben worden und zeigt den Menschen (6) steinerne Urnen.“

Es gibt ein kleines Museum, wo man sich über die Grundrisse der Stadt und des Palastes informieren und einige bemerkenswerte Skulpturen ansehen kann.

Und dann geht es wieder auf den Ochsenkarren, zurück nach Pyay für die Fahrt nach Rangoon und eine weitere Übernachtung in diesem wundervollen Hotel, das ich schon gleich nach meiner Ankunft kennen gelernt hatte.

Dieses Mal hatte ich ein Zimmer auf der anderen Seite mit einer noch prächtigeren Aussicht – ich galt hier wohl schon als Stammgast. Und, ehrlich gesagt, so fühlte ich mich auch. Das Gefühl der Fremdheit und Befangenheit, das ich unmittelbar nach der Ankunft empfunden hatte, war nach den vielen Begegnungen mit Einheimischen völlig verschwunden. Mein Handy hatte wieder Empfang, ich konnte meine Nachrichten abrufen. Das tat ich, während ich in der Lobby eine Margarita schlürfte – tat gut nach so viel Wasser, Bier und Tee.

Dann folgte ein ausgiebiger Spaziergang in den ausgedehnten Parkanlagen und ein opulentes Abendessen.

Karaweik bei Nacht

Ach ja, Essen, ich weiss gar nicht, ob ich meine Eindrücke von der burmesischen Küche bereits erwähnt habe. Gut, die in Bagan natürlich, aber die waren auch von besonderer Art. Aber sonst? Ich glaube nicht. Deshalb kann ich doch hier einmal kurz über meine – sicher sehr subjektiven – Eindrücke berichten. Das Essen in den kleinen Gaststätten am Strassenrand war meistens mörderisch scharf. Ich bin zwar von vielen Indienaufenthalten her durchaus an sehr scharfes Essen gewöhnt, aber man muss ja nicht gleich sooo heftig übertreiben. In den ländlichen Hotels habe ich schnell gelernt, mich vegetarisch zu ernähren. Fleisch war üblicherweise zäh. Fisch, der sicher morgens gefangen worden war, schmeckte abends alles andere als taufrisch, aber es gab schmackhafte Nudel- und Reisgerichte mit den verschiedensten Gemüsen, und wenn es auch im Laufe der Zeit etwas eintönig wurde, so war es doch das Einzige, was manchmal Genuss verschaffte und nicht nur Sättigung.

Aber im Kandawgyi Palace konnte man burmesische Küche mit chinesischen Gerichten kombinieren, und alles war von erstklassiger Qualität. Dazu – endlich mal wieder – ein Glas Wein und ein bisschen Pläne schmieden für den nächsten Tag – der Flug nach Sittwe war ja erst für den Nachmittag vorgesehen, und dann schlafen, mit Klimaanlage! Mit einer geräuschlosen Klimaanlage. Wundervoll.

Am nächsten Morgen kam dann meine lokale Führerin an, und wir gingen auf die Jagd nach Zigarillos. Damals rauchte ich noch, und mein Vorrat hatte sich unterwegs in Rauch aufgelöst, und ich musste sogar gelegentlich auf Cheroots zurückgreifen. Aber in Rangoon wurde ich natürlich schnell fündig, baute auch sicherheitshalber meinen Imodium-Vorrat ein wenig aus, denn der abenteuerliche Teil sollte ja jetzt erst kommen. Dann ging es noch einmal zum Shewedagon-Komplex,

Shewedagon im Sonnenlicht

zu Scott’s Market (es hätte ja sein können, dass ich bei meinem ersten Besuch etwas übersehen hatte!) und zu The Strand für einen etwas verfrühten High Tea.

Danach ab zum Flughafen mit seiner pittoresken Ankunftshalle und mit einer recht kleinen Propellermaschine die Küste hoch nach Sittwe, der alten Hauptstadt des Rakhine-Reiches. Unterwegs sah man vom Flugzeug aus bei herrlich klarem Wetter nicht nur die Küste und eine Reihe kleiner Ansiedlungen, sondern gelegentlich auch merkwürdige kreisförmige Komplexe. Niemand konnte (oder wollte) mir sagen, was das war, aber für mich sahen sie aus wie Gefängnisse.

Rundbauten

Von der Stadt habe ich dann nur sehr wenig gesehen, denn es ging sofort zum Boot.

In Burma landet man ja immer wieder einmal auf einem Boot oder Schiff, aber hier im Norden wird man zum Amphibium. Die bevorstehende Bootsfahrt würde viele Stunden dauern. Das Schiff wirkte – wieder einmal – durchaus nicht seetüchtig, und doch ging es zunächst hinaus auf‘s offene Meer,

ehe wir nach geraumer Zeit in ein weites Delta und schliesslich in den Kalanda-Fluss hineintuckerten.

Fischerhütte am Fluss

Wir – das waren der Skipper,

Der Skipper

zwei kichernde Schiffsjungen und ich. Für meine Bequemlichkeit war gesorgt worden, indem man zwei rosa Plastikstühle, eine Art Liegestuhl ohne Fussende, Wasser, Tee, ein paar Flaschen Bier und viele, viele Bananen bereit gestellt hatte.

Mein Bereich mit Schiffsjungen

Nach ein bisschen Herumprobieren entschied ich mich dann für den Liegestuhl und legte die Füsse auf einen der rosa Plastikstühle, krempelte Ärmel und Hosenbeine so weit hoch, wie es nur ging – der Skipper schüttelte bedenklich sein Haupt und warnte vor Sonnenbrand. Das wusste ich natürlich viel besser, ich war ja schon schön braun und ging davon aus, dass er das nicht einschätzen konnte, weil ich aus seiner Sicht wohl immer noch so farblos war wie ein Fischbauch. Ich habe das gegen Abend dann sehr bedauert. Vor allem die Schienbeine brannten wie Feuer …

Aber bis dahin genoss ich bei Bier und köstlich aromatischen Bananen eine zauberhafte Fahrt.

Und was mich am Ende dieser Fahrt erwartete, war vollkommen überwältigend. In Burma denkt man immer wieder, jetzt sei keine Steigerung mehr möglich. Und immer wieder wird das gerade Erlebte noch einmal übertroffen.

 

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