home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Nichts gemein mit dem „Röhrenden Hirsch“: August Gaul und Fritz Klimsch im Museum Giersch

Wer der Gegenwart und der Zukunft gerecht werden will, sollte sich im Rückblick des zu Bewahrenden vergewissern. So schätzen wir uns heute glücklich, aus grossväterlichem Familienbesitz einige Bronzeskulpturen in unsere heutige Gegenwart gerettet und der einstigen Versuchung widerstanden zu haben, derlei in bestimmten Zeiten der Spätadoleszenz als Kitsch Empfundenes dem Auktionshaus oder gar dem Trödelmarkt zu überantworten. Da sind also drei bronzene Schnauzerhunde auf uns übergekommen und ein Bronzedackel; vier Bronze-Gänse beugen ihre schlanken Hälse  zum Trinken nieder, und drei bronzene Elefanten schreiten bedächtig-würdevoll einher, auf marmornen Sockeln und Untergründen. Und nicht zu vergessen – ebenfalls Bronze auf Marmorsockel – ein den Ball zum kraftvollen Wurf bereithaltender Mann, ein Werk vermutlich der 1920er bis 1930er Jahre und somit aus Zeiten unseliger deutscher Politik, wozu jedoch die Bronze am allerwenigsten kann.

Nun mag es sich bei all unseren familiären Pretiosen um Kunst aus der zweiten oder dritten Reihe handeln und leider nicht um Arbeiten etwa eines August Gaul oder Fritz Klimsch – was tut es? Werke der beiden Vertreter „grosser“ Skulpturenkunst des frühen 20. Jahrhunderts können derzeit im Frankfurter Museum Giersch betrachtet werden, bis zum 30. Januar des noch jungen Jahres.

Bewusst präsentiert das Museum Giersch, seiner stiftungsgemässen Aufgabe entsprechend, mit August Gaul und Fritz Klimsch zwei aus dem Rhein-Main-Gebiet stammende Künstler. Insgesamt sind 94 Arbeiten von Gaul und 57 von Klimsch zu sehen. Erst kürzlich erwarb die Stiftung Giersch drei weitere Werke August Gauls für die eigene Sammlung.

August Gaul, Bär, 1909, Bronze, Höhe 30,5 cm, Sammlung Karl H. Knauf, Berlin

Es mag ein Kriterium bei der Beurteilung all der damals wie auch in Teilen heute noch so beliebten Tierskulpturen aus Bronze, Porzellan, Keramik oder anderen Materialien sein, dass dem Tier seine ursprüngliche artspezifische Würde nicht nur verbleibt, sondern dass diese im künstlerischen Werk herausgearbeitet wird; dass das Tier nicht als gut oder böse „vermenschlicht“ und umgekehrt nicht das Gute wie auch Böse des Menschen in das Tier hineinprojiziert wird. Und dass ein Tier nicht zum spiessbürgerlichen Dekor in der „Gelsenkirchener Barock“-Schrankwand als „Röhrender Hirsch“ oder als „Bambi“ degradiert wird und auch nicht zum seelenlosen, industriell gefertigten Sammlerstück etwa einer Strass-Menagerie.

In seinen Tierskulpturen reduzierte Gaul seine dem Naturalismus verpflichteten zeichnerischen Studien auf das Typische des jeweiligen Tieres. Ruhe und innere Versammlung wie zugleich Gespanntheit und jederzeit zur Entfaltung bereite Kraft zeichnen den Bären aus. Im Strauss spiegeln sich Schönheit und graziöse Eleganz des hochbeinigen, den Kopf aufmerksam zur Seite wendenden Tieres, betont durch eine Vergoldung von Augen und Federspitzen. Wiederum ruhig, in seiner spezifischen Animalität würdevoll und versammelt der Merinoschafbock, der an die Strenge und Kargheit seiner heimatlichen kastilischen Hochweiden erinnert.

Wenn auch Tierdarstellungen im Mittelpunkt seiner Arbeit standen, so erlangte Gaul bereits zu Lebzeiten mit Grossplastiken im öffentlichen Raum und grossen Brunnenbauten Ruhm und Anerkennung.

August Gaul, Der Strauss, 1902, Bronze, Höhe 34,5 cm, Sammlung Karl H. Knauf, Berlin

August Gaul, 1869 im heute zu Hanau gehörenden Großauheim als Sohn eines Steinmetzmeisters geboren, zählt zu den grossen deutschen Tier-Bildhauern. Nach Besuch der Königlichen Zeichenakademie in Hanau zog es ihn nach Berlin, wo er an der Hochschule für Bildende Künste studierte und sich in den Ateliers der Bildhauer Alexander Calandrelli und Reinhold Begas weiterbildete. Mitunter täglich war er im Berliner Zoo anzutreffen, um die Tierwelt zu studieren und auf seinen Zeichenblock zu bannen. 1898 führte ihn eine Studienreise nach Rom und Florenz. Ein Jahr später gründete er mit Künstlern wie Max Liebermann und Walter Leistikow die Berliner Secession. Ernst Barlach und Käthe Kollwitz zählten zu seinem künstlerischen Freundeskreis. Eine enge Zusammenarbeit verband ihn mit dem legendären Berliner Galeristen und Verleger Paul Cassirer.

Gaul wurde Mitglied der Preussischen Akademie der Künste und zum Professor ernannt. Wenige Tage vor seinem Tod wurde er zu deren Senator berufen. Er starb Ende Oktober 1921 kurz vor seinem 52. Geburtstag in Berlin.

August Gaul, Merinoschaf, 1896, Bronze, Höhe 26,5 cm, Sammlung Karl H. Knauf, Berlin

Der mit August Gaul befreundete Bildhauer Fritz Klimsch wurde 1870 in Frankfurt am Main, ebenfalls in einer Künstlerfamilie, geboren. Gaul und Klimsch teilten viele Stationen und Entwicklungen auf ihren künstlerischen Wegen. Auch Klimsch ging nach Berlin, nahm Unterricht bei Fritz Schaper, einem Exponenten der klassizistischen Berliner Bildhauerschule, und studierte an der Hochschule für Bildende Künste. Wie Gaul war er Mitbegründer der Berliner Secession und wurde Professor und Senator an der Preussischen Akademie der Künste. Anders als Gaul  jedoch widmete sich Klimsch der menschlichen Figur und schlug den Weg zu einem bedeutenden Porträt- und Denkmalplastiker ein. Seine Vorbilder waren die Meisterwerke der Antike wie auch das Schaffen Auguste Rodins. Zahlreiche Grossskulpturen und Denkmäler im öffentlichen Raum, auch in Frankfurt am Main, legen noch heute Zeugnis von seiner Bildhauerkunst ab. Sie machte Klimsch zu einem auch in der Zeit des Nationalsozialismus geschätzten und sehr gefragten Künstler.

Die Ausstellung „Die Bildhauer August Gaul und Fritz Klimsch“ im Frankfurter Museum Giersch sollten Liebhaber der skulpturalen Kunst (zu denen wir selbst uns bekennen) nicht versäumen; sie läuft noch bis zum 30. Januar 2011.

(Bildnachweis: Museum Giersch)

 

Comments are closed.