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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Pisa von innen / 15

Pisa von innen
Eine authentische Erzählung

von © Salias I.

Zweiter Teil (15)

Beherzt überreiche ich Frau D, der Chefsekretärin, meine Mahnliste mit der vorsichtigen Anfrage, ob sie die Briefe bis morgen fertig machen würde?
Frau D überfliegt die Liste und beschwert sich: „So viele Schüler haben Sie zu mahnen?!“ Sie schaut mich an, als sei das meinem persönlichen Versagen zuzuschreiben.
„Leider, ja“, sage ich zerknirscht.
„Wie soll ich das so schnell schaffen! Wir sind heute nur zu zweit hier!“
„Wenn die Briefe bis zum Elternabend fertig wären, könnte ich sie den Eltern direkt ausgeben.“

Mein Argument zieht: Das würde der Stadt das Porto ersparen, und damit wäre mehr als wettgemacht, was ich kürzlich entwendet hatte, als ich einen Raubzug in das Materiallager des Sekretariats unternahm: Da brauchte ich dringend zwei Heftstreifen für den Klassenordner, um den Beschluss der Klassenkonferenz, die zwei Werkstattgruppen getrennt abzuheften, zu exekutieren. Normalerweise nehme ich solches Büromaterial von zu Hause mit in die Schule, aber diesmal wollte ich das noch am gleichen Tag erledigen. Woher nehmen? Aus dem Sekretariat? Ich wusste, dass ich die Heftstreifen nicht bekäme, wenn ich Frau D darum bitte – ich habe nicht vergessen, dass Frau D mich vor Jahren abschmetterte, als ich ein paar Büroklammern haben wollte, warum, weil das Eigentum der Stadt sei und nur für Verwaltungszwecke – nicht für Lehrzwecke! – verwendet werden dürfe! Also ging ich gestern schlauer vor: Ich fragte ein Schulleitungsmitglied nach den benötigten Heftstreifen, und der hilfsbereite Kollege S sagte, die gibt’s im Sekretariat, er würde welche holen gehen, und dummerweise folgte ich ihm bis in den Nebenraum des Sekretariats, vorbei an den Argusaugen der Frau D, die uns prompt folgte und dabei erwischte, als der Kollege S beim geknackten Stahlschrank stand, während ich davor hockte und nicht nur die zwei Heftstreifen in Besitz nahm, die ich brauchte, nein, bei der Gelegenheit sogar fünf entwendete, um drei als Notvorrat in meinem Lehrerzimmerfach zu horten (einer kostet ein paar Cent). Frau D protestierte empört, aber da ich die Beute schon in die Faust schloss und der Abteilungsleiter mich verteidigte, konnte sie nur noch verhindern, dass ich meine Beute vielleicht um eine Handvoll Büroklammern vermehrt hätte. – Ja, die Sekretärinnen haben es mit uns ebenso schwer wie wir mit den Schülern!

17.4.8, außerordentlicher Elternabend: Es kommen außer mir noch drei Lehrer sowie Eltern von acht Schülern – so ist immerhin fast die Hälfte der Schüler vertreten, und zwar, wie immer, die bessere Hälfte.
Frau B, die Elternbeirätin, dankt uns Kollegen für unsere Anwesenheit und besonders mir, der ich dreißig Kilometer angereist bin. Nach dieser freundlichen Einleitung geht es los.
Die Versammlung verläuft überwiegend sachlich, deshalb gibt es nichts zu erzählen außer vielleicht, dass der Abend zur Nacht wird und schließlich noch strapaziös, aber ich will nicht jammern; hier nur ein kurzer Bericht.
– Kollegin A berichtet, dass die Arbeitshaltung miserabel sei. Dennoch beteuerten die Schüler wie selbstverständlich: „Wir machen Real!“ Offensichtlich glauben sie, der Realschulabschluss sei so eine Art Teilnahmebescheinigung. Kollegin A: „Sie tun nichts dafür!“ Keine Arbeitshaltung, auch Hausaufgaben klappten nicht.
„Kontrollieren Sie denn die Hausaufgaben nicht“, empört sich ein Vater, besser gesagt der Stiefvater von K3.
Doch doch, die Hausaufgabenkontrolle sei schnell erledigt: 2-3 Schüler lesen vor, der Rest hat nichts.
– In Mathe gibt es direkt nach Unterrichtsende ein kostenloses Nachhilfe-Angebot an unserer Schule. Fünf Schüler aus der Klasse haben Minderleistungen, aber nur zwei nehmen an dem Angebot teil.
– Der Kollege V glaubt nicht, dass es Gemeinschaft in der Klasse gebe, alles sei ein „undurchsichtiges Brodeln“; er beschwört die initiierte Partnerschaft Lehrer-Eltern als möglicherweise letzte Chance für die Schüler, ihr Ziel zu erreichen.
– Koll. T berichtet, warum es so viele Fünfer und auch eine Sechs im Fach Sport gibt: weil jedes Mal nur gut die Hälfte der Schüler mitmachen könne – allzu viele vergessen allzu oft ihre Turnschuhe.
Der kritische Stiefvater meint, die Schüler müssten dann eben barfuß mitmachen.
Das ist nicht meine Pädagogik, sagt Kollege T, denn es gehe nicht darum, Schüler leiden zu lassen, sondern Zuverlässigkeit einzufordern.
– Kollege T2: In der Holz-Werkstatt dagegen werden die Arbeitsschuhe von der Schule gestellt, aber nicht alle Schüler wollen sie anziehen. Konsequenz: Maschinenverbot für die Schuhverweigerer. Kein Maschinenschein, nur Handsägearbeiten. Und, wenn es so weiter geht, auch kein Abschluss.
– Die Mutter N erzählt, dass ein anderer Schüler in der Werkstatt einen Anschlag auf das Werkstück ihres Sohnes verübt habe: gerade in einem Augenblick, als der Lehrer woanders war, und dann war das Werkstück versaut und ihr Sohn wurde schlecht bewertet.
– Ich erkläre, warum wir im Fall K2 gegen Mobbing-Versuche vorgehen müssen
Zudem kündige ich an, das wir konsequent disziplinarische Maßnahmen ergreifen wollen, wenn nötig bis hin zur Ausschulung. – Ob ich denn jemand im Auge hätte? – Nein, sage ich, im Moment nicht. – Doch weist eine Mutter auf einen Fall hin, über den sie immer wieder negative Geschichten höre, einer sei in der Klasse, und eine andere bestätigt: bei dem einen beobachteten die Schüler genau, wie oft er schwänzt, wie schändlich er Kameraden beleidigt, und sie fragen sich, warum die Schule denn nichts dagegen unternehme?
Natürlich weiß ich, wer gemeint ist: Der R. Schon vor Weihnachten wollte ich R abmahnen lassen, die Aktenlage war ersprießlich genug, und die Abmahnung als ultima ratio hatte ich bereits mit R’s Erzieherin verabredet, um R den Ernst der Lage klar zu machen, nachdem alle unsere pädagogischen Versuche ins Leere gelaufen waren. Ich übergab also die Akte an den Kollege P und hoffte, dass der Fall R bald erledigt sei.
Kollege P aber schrieb keine Abmahnung, sondern fing ganz von vorne an: Er lud selbst den R, seine Erzieherin und den Sportlehrer ein, gab dem Heimkind R neue Chancen, der R hatte stets Besserung versprochen und so weitergemacht, als sei er unverbesserlich.
Den Eltern nun kann ich nur sagen, dass ich diesen bestimmten Fall schon zur Abmahnung an den Abteilungsleiter gegeben habe, und es liegt nun in den Händen des Herrn P, weiter damit zu verfahren. Will sagen, mir sind die Hände gebunden.
Der Beschluss der Klassenkonferenz, jedem schwierigen Schüler eine betreuende Lehrkraft zuzuordnen, die sich um ihn und seine Fehlzeiten kümmert, findet den Beifall der Eltern. Aber der K3-Beschützer wirft mir vor, als verantwortlicher Klassenlehrer „gewartet zu haben, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist.“ Die Eltern hätten ein Recht, umgehend zu erfahren, wenn ihr Kind unentschuldigt gefehlt hat!
So ist denn der Hauptpunkt des Elternabends erreicht: unentschuldigte Fehlzeiten im Zeugnis. Das gehe nicht an, wenn die Jungs sich bewerben, werden die Zeugnisse der letzten vier Jahre verlangt, und da stünden dann unentschuldigte Fehltage – ein Schwänzer aber kriegt keine Lehrstelle! Diese Fehler müssen korrigiert werden!
Indes dürfen die Kollegen nach Hause gehen, da ich den Rest allein zu verantworten habe.
Ich erkläre, wie es dazu kommt: kommt einer zu spät – wie so oft -, dann tragen wir das nicht immer sofort nach, der Schüler steht also als fehlend da, was für den ganzen Tag zählt, der Zuspätkommer soll den Lehrer am Ende der Stunde darauf aufmerksam machen, ihn als verspätet umzutragen, das macht er aber nicht, und der Lehrer vergisst es auch, und der Schüler ahnt nicht, dass er einen unentschuldigten Fehltag verursacht hat, und so kommen die rätselhaften Fehltage zustande.
Das ist ein Fehler im System, nicht der Fehler der Schüler, wenn sie ein paar Minuten zu spät kommen, dürfen daraus keine Fehltage werden, schon gar nicht unentschuldigt, man bedenke die schwerwiegenden Konsequenzen!
Ich darf das leider nicht ändern, denn es gilt, was im Klassenordner steht; im übrigen hat die Schulleitung auf der Konferenz die Direktive ausgegeben, dass die Zeugnisse nicht mehr geändert werden.
„Wenn die Schule ihre Fehler nicht korrigiert“, droht der K3-Stiefvater, der gar nicht erziehungsberechtigt ist, „dann ist das geradezu eine Aufforderung, die Zeugnisse selber zu korrigieren: Das ist ganz leicht, dazu braucht es nur einen Kopierer!“
Der potentielle Urkundenfälscher ist eigentlich unser pädagogischer Verbündeter, also lege ich mich nicht mit ihm an, sondern verweise an den Schulleiter.
Die Elternbeirätinnen versprechen, dass sie sich dort stellvertretend für die Klasse beschweren werden.
Des weiteren berichte ich von den geplanten Ausflügen, dem Kino und dem Besuch der Nazi-Produktionsanlage. Die Eltern begrüßen die Pläne, finden aber, dass wir, wenn wir schon die KZ-Gedenkstätte sehen, auch zur Bundeswehr gehen sollten, die ja in der gleichen Stadt eine Garnison hat; dort könnten wir dann auch kostenlos zu Mittag essen, und die Schüler könnten etwas bei der Panzer-Instandsetzung lernen.
Ich bin nun nicht davon angetan, mich mit einem Mittagessen kaufen zu lassen, um die Schüler zum Kriegsgerät zu führen. Ich sage aber zu, dass ich mich da mal erkundigen würde, denke mir dabei, dass das sowieso nicht klappt. Ich weise die Eltern darauf hin, dass alle Pläne an der Zahlungsunwilligkeit vieler Schüler zu scheitern drohen. Was würden Sie an meiner Stelle machen?
Nach einer fruchtbaren Aussprache beschließen wir, den Schülern noch eine Chance fürs Kino zu geben: Am Montag müssen sie 4,50 Euro bezahlen, und wenn mehr als zwei nicht bezahlen, fällt das Vorhaben aus.
Schließlich protestieren die Eltern gegen den Stundenausfall im Fach Deutsch. Wir erklären geduldig, wie das Schulamt rechnet und wie die Realität ist – und so fehlen uns Stunden, obwohl wir nach der Statistik des Schulamts als voll versorgt gelten. Es dauert eine ganze Weile, bis die Eltern das Unverständliche verstanden haben.
Um 22.45 geht dieser Abend zu Ende.

Jetzt zeigt sich der Stiefvater fürsorglich: Ob er mich im Auto mitnehmen könnte? – Ich danke, aber da ich vorhergesehen habe, dass ich so spät am Ende sein werde, habe ich verabredet, beim Kollegen C, der nur zehn Fahrradminuten von der Schule entfernt wohnt, zu übernachten.
Bis ich in der Schule mein Rückzugsgefecht gewonnen habe und beim Kollegen C angelangt bin, ist es viertel zwölf Uhr nachts, der arme C empfängt mich im Schlafanzug, aber so herzlich, dass ich in seine Arme sinken und weinen möchte, sinnlos weinen.
Doch bleiben wir in der Mittelwelt, die immerhin liebevoll für mich gestaltet ist: Ein ruhiges, kühles Zimmer mit einem frisch bezogenen Bett, in dem ich eine halbe Stunde länger werde schlafen können als zu Hause. Nur wenige Worte mit C sind nötig, um uns zu verständigen: was das für ein Abend war, und wie dankbar ich ihm bin für die Wohltat dieser Bettstatt! Leider ist es zu spät für ein längeres Gespräch.
Es bleibt das Schlafzimmer für mich allein. Und allein mit meinen ungelösten Tränen finde ich kein Nachlassen – statt dass die Tränen fließen, stürmen Gedanken durch meinen Kopf, marternde Gedanken; eine Stunde, anderthalb Stunden wälze ich mich herum, und gepeinigt von einem Traum, dass ich zu spät in die Schule käme, erwache ich kurz bevor der Wecker klingelt.
Doch es ist schon hell, ich treffe auf eine Familie, die schon auf den Beinen ist, darf mich an einen gedeckten Tisch setzen, und alles ist gut. Es ist Freitag, Prüfungstag, und ich bin froh! Entspannt radeln C und ich zusammen in die Schule.

So erneuert, trage ich noch vor acht Uhr dem Schulleiter die Eltern-Beschwerde vor. Er meint, wir sollten nachgeben, weil wir das pädagogische Ziel, dass die Eltern sich um die Fehlzeiten der Kinder kümmern, ja erreicht hätten. – Diese gute Nachricht gebe ich gleich an die Eltern weiter und darf nun die Zeugnisse verbessern lassen.

Erfreulich ist der nächste Dienstag (22.4.): Fast alle Schüler haben bezahlt, wir gehen ins Kino, um die deutsche Neuverfilmung der „Welle“ zu sehen. Keine Störung, keine Beschwerden. Der Film beeindruckt uns.
Hinterher sind die Schüler im Nu verschwunden, ich sitze mit dem Kollegen C im Café. Ich merke, wie der Film, je mehr ich ihn verdaue, desto übler aufstößt. Wir reden darüber, und ich merke, wie mir die inhaltliche Auseinandersetzung ebenso gut tut wie die weltanschauliche Übereinstimmung mit dem hochrespektablen Kollegen C.

Zuhause schreibe ich eine Rundmail an geisteswissenschaftlich ausgebildete Kollegen. Subject: „Miese Welle – der Film“

> liebe kollegen
>
> je länger ich über den film nachdenke bzw. die gut geschossenen bilder vor meinen augen verblassen, desto übler stößt mir diese produktion auf.
> aber zuerst, was mir gut gefällt: der gleichschritt gegen den lateiner. und der schluss hat eine unerwartete konsequenz.
> nun zur kritik.
> ein vergleich der charaktere, die im buch wesentlich differenzierter gezeichnet sind:
> – die lehrer-charaktere sind blass (ehefrau; schulleiterin) oder karikaturen (lateinlehrer)
> – protagonist reflektiert sich nicht selbst – warum auch, er wird ja anfangs nicht als aufgeklärt denkender mensch gezeigt, sondern als von den schülern geliebter desperado, der alles tut, um es den schülern einmal zu zeigen – was er für ein kerl ist!
> – dazu passt die politische message: der linke anarcho-typ entpuppt sich als rechtsradikaler führer – ohne dass er irgendwelche selbstzweifel hätte
> – nur die frau hat nicht kapiert, dass linksradikal gleich rechtsradikal ist, deshalb der vom zaun gebrochene ehestreit
> – dabei stellt sich heraus, dass der kleine diktator auch noch komplexe hat, weil ja die wissenschaftliche ausbildung ein leben lang mehr zählt als alles andere!
> – cora ist ebensowenig selbstkritisch-reflektierend, sondern auf einem ähnlichen egotrip wie der lehrer
> – überdies lässt sie sich leicht von der mutter beeinflussen (sie zieht die weiße bluse wieder aus!)
> – coras eltern sind erziehungs-idioten: „jeder muss seine grenze selber finden!“ – der kleine bruder wird zum asozialen süchtigen
> – coras gegen-agitation wirkt töricht und wird unnötig dramatisiert
> – der einsame held ist coras freund, der zwar cora schlägt (ohne schläge geht hier nichts!), aber daraus lernt, dass alles falsch war, und sich
> tapfer dem führer der welle entgegen stellt
> zur handlung:
> – an welcher schule wäre eine „projektwoche“ mit den themen autokratie und anarchie denkbar?
> – wo gibt es lehrer, die sich fest vorgegebene projektthemen gegenseitig abjagen?
> – welcher lehrer findet in einer 10-minutenpause ein völlig neues konzept für eine woche?
> – was passiert weiter im „projekt-„unterricht? welches ziel, welche inhalte verfolgt der lehrer?
> – wie steht es um die werbung neuer mitglieder für die welle (wie im buch)?
> – warum fehlen die ausweise und wächter-rollen?
> – warum muss die gewalt der welle bis hin zum versuchten mord unter wasser führen?
> – und warum verteilt cora ausgerechnet in diesem augenblick die flugblätter? – alles dumme dramatisierung
> – die übelsten politischen verdrehungen zum schluss des films:
– globalisierungsgegner = faschisten!
– gleichheit = unterdrückung
– wer danach schreit, die welt gerechter zu gestalten, schreckt auch nicht davor zurück, andersdenkende als „verräter“ auszugrenzen und zu ermorden!
> stammt das drehbuch aus der zeit des kalten krieges? oder will es orwells 1984 propagieren?
> es ist eine schande, dass solch hanebüchene filme in deutschland mit
> unterstützung öffentlicher gelder gedreht und für schulklassen beworben werden.
>
> viele grüße, I

Danach geht es mir besser. Es mangelt mir eben an geistiger Auseinandersetzung. Es ist schon fast ein Jahr her, dass ich an einer wissenschaftlichen Tagung teilnahm. Ab und zu muss man auch etwas haben, das einen nährt.

Die Resonanz meiner Mail: Drei, vier dankbare Antworten. Was will man mehr?
Bald darauf spricht mich ein Schüler aus der 10 BF X0 an, der J, der von seiner Leistung her eigentlich ein Gymnasiast sein müsste (wie es scheint, wurde er durch einen neurotischen, verstockten Lehrer für hauptschulreif erklärt und musste zu uns kommen). J also habe von einem Kollegen gehört, dass ich eine Filmkritik geschrieben habe und will sie haben. Ich maile sie ihm.

In der nächsten Stunde am 23.4. ist meine 10 BF X2 wieder mal die alte. Meine Stimme reicht kaum, um durchzukommen – bei der Aussprache über den Film wollen drei, vier Schüler gleichzeitig ihre Meinung loswerden, lassen sich mit keiner Redeliste ordnen, oder sie erzählen etwas ganz Abseitiges. Besonders der K schwätzt penetrant, ungeachtet aller Ermahnungen, bis ich ihm eine Auszeit verordne.

Schon nach drei Minuten kehrt er zurück: Kein Schulleiter, auch kein Stellvertreter ist da, das Sekretariat geschlossen.
„So ein Pech“, sage ich.
„So ein Glück“, lächelt K.
Ich weise ihn an, sein Protokoll hier und jetzt zu schreiben, ein paar Minuten ist K ruhig, dann ist es wie vorher. Nach der Aussprache teile ich ein Arbeitsblatt zur Welle aus: Partnerarbeit!
Bald schlagen die Nichtstuer ihre Anti-Wellen, die an mich heranschwappen.
„Ein bisschen Welle würde euch gut tun: Disziplin“, rufe ich scherzend, „und wenn ihr nichts tut, dann gibt’s ein paar ordentliche Schläge!“
„Dann schlage ich zurück“, empört sich D.
„Gut so“, pflichte ich bei, „nur kein Unrecht dulden!“
Der Film ist bei den Schülern ganz gut angekommen. Meine Filmkritik deute ich nur an: Dass die deutsche Schule unrealistisch dargestellt ist, können die Schüler nachvollziehen. So sind wir uns einig.

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