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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Mapping the Studio“ in Venedig (1): Palazzo Grassi

Von Erhard Metz

Wir möchten unseren Leserinnen und Lesern für ihren nächsten Aufenthalt in Venedig den Besuch zweier fantastischer Museen ans Herz legen: des „Palazzo Grassi“ und der „Punta della Dogana“ des französischen Milliardärs François Pinault respektive der François Pinault Foundation (Firmenimperium Pinault-Printemps-Redoute mit unter anderem Gucci, Puma, Yves Saint Laurent, Le Printemps oder dem Nobelweingut Château Latour und – setzen Sie sich fest hin – dem Auktionshaus Christie’s!)

Nun trifft es sich, dass in Zeiten der – ideologiepolitisch allem Anschein nach gewollten oder zumindest billigend in Kauf genommenen – Finanznot öffentlicher Haushalte (Steuergeschenke der Koalition an Hotellerie, Erben usw. lassen grüssen) auch die Diskussion um in öffentlicher und privater Trägerschaft betriebene Museen auflebt. Während sich erstere der Gefahr zunehmender finanzieller Auszehrung ausgesetzt sehen – dem finanzministeriellen wie kommunalen Rotstift fällt neben dem Sozialen zu allernächst die Kultur zum Opfer – , fliessen beträchtliche Gelder hoch Vermögender, vor allem über Stiftungen, in deren private Projekte, selbstverständlich nach dem bekannten Motto „Wer zahlt, schafft an“. Und wer beobachtet, mit welch euphorischem Jubel jene genannten politischen Kräfte hierzulande einem von den USA herüberzubranden drohenden „Philanthro-Kapitalismus“ das Wort reden, wird Schlimmeres befürchten müssen. In Vergessenheit gerät darüber, dass die vermeintlichen Grossherzigkeiten der Bill Gates, Warren Buffet und Co. mit erheblichen Steuergeschenken über und über belohnt werden, die wiederum das Steueraufkommen verkürzen und dem Gemeinwesen dringend notwendige finanzielle Mittel entziehen, so dass letztlich die Allgemeinheit den Preis für privatmilliardäre „Wohltaten“ zu entrichten hat, die jedoch dann von Entscheidungen über eine sinnvolle, im öffentlichen Interesse liegende Verwendung (ebenso wie das staatliche Gemeinwesen selbst) im wesentlichen ausgeschlossen ist.

Auf der anderen Seite verkennen wir keineswegs die bedeutsame kulturelle Rolle, die beispielsweise im Rhein-Main-Gebiet – im regionalen Rahmen – etwa dem Frankfurter Museum Giersch oder den Rüsselsheimer Opelvillen zukommt.

Nach diesem Exkurs ins Grundsätzliche nun zurück zum Palazzo Grassi und zur Punta della Dogana. Beginnen wir heute mit ersterem. Und heben gleich zu Beginn hervor, dass die Venetianer jeden Mittwoch freien Eintritt in die beiden Museen haben.

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Der Palazzo Grassi am Canal Grande, Foto: Erhard Metz

Der in den Jahren 1748 bis 1772 von Giorgio Massari (zugeschrieben) am Canal Grande im Stadtteil San Marco errichtete Palast der Brüder Angelo und Zuanne Grassi – einer der grössten seiner Art in Venedig -, wechselte im Laufe der Zeit mehrfach Funktion und Eigentümer. 2005 erwarb François Pinault das bereits wiederholt umgestaltete und renovierte Anwesen und eröffnete darin, nach weiteren Umbauten durch den Weltklasse-Architekten Tadao Ando, Ende Juni 2006 für seine legendäre, über 2000 Werke umfassende Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst eine erste Heimstatt in der „Serenissima“ (die zweite folgte 2009 in der Punta della Dogana).

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Paul McCarthy, Bear and Rabbit on a Rock, 1992; Mascot heads, acrylic fur, metal armature, foam rubber, formica pedestal, 270 x 190 x 130 cm, © Palazzo Grassi SpA. Foto: ORCH, orsenigo_chemollo

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Rudolf Stingel, Untitled , 2008; Plaster, aluminium, steel, 18 panels, 294 x 654 x 17 cm, © Palazzo Grassi SpA. Foto: ORCH, orsenigo_chemollo

Die derzeitige, von Alison M. Gingeras und Francesco Bonami kuratierte, Anfang Juni 2009 eröffnete, noch in das Jahr 2011 laufende Ausstellung „Mapping the Studio“ zeigt Arbeiten unter anderem von Kai Althoff, Maurizio Cattelan, Jake und Dinos Chapman, Marlene Dumas, Urs Fischer, Fischli & Weiss, Lucio Fontana, Felix Gonzales-Torres, Richard Hughes, Martin Kippenberger, Jeff Koons, Paul McCarthy, Otto Muehl, Takashi Murakami, Bruce Nauman, Cady Noland, Michelangelo Pistoletto, Sigmar Polke, Richard Prince, Charles Ray, Thomas Schütte, Cindy Sherman, Rudolf Stingel, Hiroshi Sugimoto, Jean Tinguely, Luc Tuymans, Cy Twombly, Franz West oder Rachel Whiteread, um nur einige der Künstlerinnen und Künstler zu nennen.

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Richard Prince, Untitled (de Kooning), 2006, Acrylic and inkjet on canvas, © Palazzo Grassi SpA. Foto: ORCH, orsenigo_chemollo

Natürlich beklagen wir das nicht sehr ergiebige Sortiment an Pressefotos, das die François Pinault Foundation über die Ausstellung zur Verfügung stellt. Umso mehr danken wir Mme. Mathilde Beaujard von der Pariser Claudine Colin Communication, die auch die beiden venetianischen Museen der Stiftung betreut, für die freundliche Kooperation. Der prächtige, knapp 400 Seiten starke Katalog (Preis vor Ort 50 Euro) entschädigt mit einem umfassenden Überblick über die Exponate der Schau.

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Pädagogik und Kreativität im Museum: Jugendgruppe im Murakami-Saal der Ausstellung im Palazzo Grassi; Foto: Erhard Metz

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Luc Tuymans, The Book, 2007, Oil on canvas, 360 x 212 cm, © Palazzo Grassi SpA. Foto: ORCH, orsenigo_chemollo

Wie immer man es in der kulturpolitischen Diskussion um die Museumslandschaften drehen und wenden mag – als Venedig-Besucher kommt man an der hervorragend kuratierten wie grosszügig präsentierten Ausstellung der Sammlung François Pinault – einem in vielem repräsentativen Querschnitt durch die bereits schon klassische wie auch die kontemporäre Moderne – nicht vorbei.

„Mapping the Studio“, Palazzo Grassi, Venedig

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