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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Frankfurter Kunstverein: “Bilder vom Künstler” (3) – Marc Aschenbrenner

“Bilder vom Künstler” – so lautet die derzeitige, noch bis zum 17. Januar 2010 laufende Ausstellung, mit der der Frankfurter Kunstverein sieben Positionen zu dem Thema Selbstverständnis des Künstlers und Rollenbilder der Gesellschaft zur Diskussion stellt.

Einen spektakulären Beitrag zur Ausstellung bilden zwei Videos von Marc Aschenbrenner. Aschenbrenner, 1971 in Linz geboren, studierte an der dortigen Kunsthochschule Malerei und Multi Media mit dem Schwerpunkt Videokunst. Seine Arbeiten waren unter anderem in Berlin, Bonn, Hamburg, Heidelberg, Innsbruck, Köln, Kopenhagen, London, Luzern, Münster, Posen und Wien zu sehen. Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin.

In Aschenbrenners Video „Zweite Sonne“(2005) wälzt sich ein bis auf den Kopf gänzlich in dunkle Folie gehüllter Mensch – ebenso wie die beiden Figuren in dem zweiten Video „Im Abri“ vom Künstler selbst dargestellt – auf einer nassen, rutschigen Folie aus gleichem Material wie der Anzug des Protagonisten bergwärts, um jeweils nach wenigen Metern wieder hinabzurutschen. Nach wiederholten, quälend erfolglosen Versuchen stürzt die Figur in ein dunkles Gewässer, Luftblasen scheinen aufzusteigen …

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Natürlich denken wir sofort an Sisyphos, den die Götter furchtbar bestraften: Einen gewaltigen Felsblock musste jener einen steilen Berg hinaufrollen, doch wenn er bis zur Höhe gelangt war, entglitt ihm der Fels und rollte den Berg wieder hinunter, und Sisyphos musste von neuem beginnen – in alle Ewigkeit.

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Aber in „Zweite Sonne“ entwickelt sich die Folie weiter zu einem riesigen Ballon, der sich mitsamt dem an ihn gebundenen Folienmenschen in den Himmel erhebt. Hilflos wie ein am Rücken gehaltener Käfer fuchtelt dieser mit Armen und Beinen in der Luft herum, bis sich der Ballon wieder zum Boden senkt, um sodann, abgekoppelt von der Figur, in die Ferne zu entschweben. Wie tot bleibt der Folienmensch auf der Erde liegen.

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Vorstehende Abbildungen: Zweite Sonne, 2005, DV/DVD, 7:00 min, loop, Courtesy the artist and Galerie Olaf Stüber; Videostills Fotos: FeuilletonFrankfurt

Das zweite Video „Im Abri“ (2008): Ein gänzlich in silberne Folie gekleideter Mensch schleppt, einer ihr Haus tragenden Schnecke ähnlich, einen gewaltigen, geschwulstigen Ballast aus dem gleichen Material mit sich, Körper und Geschwulst bilden eine Einheit. Die Figur nähert sich zunächst einem Hügel aus Abbruchsteinen, den sie stolpernd und stürzend zu erklimmen versucht, anschliessend einem gespenstisch in einer Industriebrache stehenden Abbruch-Haus. Die schwer unter dem Ballast tragende Figur klettert an der Fassade empor und zwängt sich auf das Mühsamste durch das geöffnete Fenster in den verwahrlosten Raum, wo sie erschöpft zusammenbricht, sich in den erschlaffende  Sack auf dem Rücken zurückzieht und am Ende regungslos liegen bleibt.

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Eine zweite, in dunkelblaue Folie gewickelte Figur patscht und tanzt, ausgelassen wie ein Kind, in grossen, matschigen Pfützen herum, begibt sich dann zu besagtem Haus, steigt dort im Treppenhaus empor und trifft auf das in sich zusammengesunkene, leblos auf dem Boden liegende silberne Bündel von Mensch und Foliengeschwür.

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Vorstehende weitere Abbildungen: Im Abri, 2008, DV/DVD, 8:00 min, Courtesy the artist and Galerie Olaf Stüber; Videostills Fotos: FeuilletonFrankfurt

Es sind einsame, verletzliche Figuren, die Aschenbrenner zeigt. Ihre künstliche äussere Haut, die eine Identität mit ihrer eigenen, fleischlichen anzunehmen scheint, macht sie uns einerseits fast zeitlos-unkenntlich, und doch erahnen wir ihre Gefühle, wenn sie kämpfen, sich abquälen, wenn sie scheitern. Und sie verfolgen uns.

Wir sollten, lehrt uns der Frankfurter Kunstverein, nicht der Fehlinterpretation unterliegen, es handele sich bei Aschenbrenners Videos um eine Art von Porträts oder um Autobiografisches. Auch sollten wir, so meinen wir, bei aller Versuchung nicht auf die Philosophie der Absurdität menschlichen Lebens rekurrieren im Sinne Albert Camus‘ („Der Mythos des Sisyphos“). Um „Bilder vom Künstler“ geht es in der Ausstellung, um das Selbstverständnis des Künstlers also wie auch um die Vorstellungen der Gesellschaft vom Künstler, um die Klischees, mit denen sie den Künstler befrachtet.

Beidem begegnen wir in diesen Videos. Wir kennen den „Sisyphos“-Künstler, der immer wieder an seinem Werk oder seinem eigenen Anspruch scheitert; den Künstler, der – in die Wolken erhoben – jählings abstürzt; der ein riesiges, übermächtiges Ballast-Geschwulst mit sich selbst herumschleppt, dem er sich nicht zu entwinden vermag; der auch von denen, die ihn suchen, doch nicht erreicht wird.


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