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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„The Making of Art“ – Das Kunstmachen – in der SCHIRN Kunsthalle Frankfurt

Irgendwie hatten wir wohl die richtige Vorahnung – zur Präsentation der Ausstellung „The Making of Art“ in der SCHIRN Kunsthalle Frankfurt hatten wir auf die Krawatte verzichtet; sie hätte (auch wenn Direktor Hollein sie pflichtbewusst trug) in der Tat nicht so recht zur systemkritischen wie zwanglosen Werkstattatmosphäre der Ausstellung gepasst.

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Direktor Max Hollein und Kuratorin Martina Weinhart in der Pressekonferenz

Kunst, Kunstherstellung, Kunstvermarktung, kurzum Kunstbetrieb als mehr oder weniger kritisch traktierter Gegenstand von Kunst  – nicht neu. Aber die Ausstellung in der SCHIRN Kunsthalle präsentiert eine etwa 150 Arbeiten umfassende Auswahl entsprechender Werke in einem neuen, gerade „in Zeiten wie diesen“ durchaus aktuellen Kontext.

Lädt John Waters, 1946 in Baltimore/Maryland geboren und auch heute dort lebend und arbeitend, mit seiner Aufforderung „Study art“ zu einem Künstlerdasein ein?

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John Waters, Study Art Sign, 2007, Acryl-Urethan auf Holz und Aluminium, , 142,2 x 106,7 x 11,4 cm, Vanmoerkerke Collection, Belgien

Was lehrt uns der 1966 geborene New Yorker Künstler Tom Sachs mit seiner Arbeit „Kreativität ist der Feind“ über das künstlerische Wesen?

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Tom Sachs, Creativity is the Enemy, 2008, Farbe, Holz, 97,8 x 149,2 x 12,7 cm, Vanmoerkerke Collection, Belgien, Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac Paris/Salzburg

Was sagt uns Dieter Hacker, 1942 in Augsburg geboren, wenn er seine Holzkiste öffnet und eine „Buchstabenarbeit“ auf dem Boden ausbreitet?

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Dieter Hacker, Wollt Ihr die Kunst als Schlafmittel oder als Wegweiser? Entscheidet Euch!, 1970, Holz, 50 x 50 x 35 cm, Textlänge ca. 500 cm, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe

Vielleicht war früher ja alles einfacher, als es den Künstler und sein Kunstwerk und dann noch den Betrachter gab, der natürlich gerne auch als Käufer, gar Sammler willkommen war, denn der Künstler will und muss ja vom Verkauf leben, auch wenn sich Kunst schon seit jeher vielfach als brotlos erwies. Dann traten mehr und mehr die Akteure und Aktivitäten dessen hinzu, was nicht frei von Euphemismus als Kunstbetrieb bezeichnet wird: als da sind Kuratoren, Galeristen, Kritiker; Museen, Biennalen, Ausstellungen – und die von manchen als deren schlimmste Form empfundenen Kunstmessen samt ihrer spassgesellschaftlichen Lifestyle-Party-Betriebsamkeit. Zwischen all diesen Erscheinungen hat sich unter den Bedingungen eines mehr und mehr allein der Kommerzialisierung unterworfenen Kunstmarktes ein Beziehungsgeflecht entwickelt, in dem der Künstler heute – zwischen den Polen Opportunismus bis hin zu Resignation und  Verzweiflung – um seine Position zu ringen sucht.

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Ausstellungsansicht: Thomas Struth, The Consolandi Family, Milan, 1996, C-print, 178 x 216,3 cm, Art Collection Deutsche Börse

Schon in Arbeiten der 1960er Jahre begegnen wir der sogenannten institutionskritischen Kunst. Kunstwerke und die Position des Künstlers in der sich ständig wandelnden Gesellschaft werden im gestaltenden künstlerischen Akt hinterfragt. Zwei Jahrzehnte später werden Institutionen wie Museum, Galerie, Sammler oder Kunstmesse wie auch der gesamte institutionelle Rahmen des Kunstwerks im künstlerischen Handeln reflektiert. Es geht mitunter witzig und ironisch, sarkastisch und zynisch zu. Natürlich macht diese kritische Auseinandersetzung auch vor der materiellen Situation der verschiedenen Akteure und Institutionen des Kunstbetriebs nicht halt. Dabei werden jedoch stets die immanenten Widersprüche dieser Herangehensweise deutlich. Darauf werden wir noch zurückkommen.

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Marcin Maciejowski, Picasso’s „Boy with a Pipe“, 2004, Öl auf Leinwand, 130 x 120 cm, Sammlung Kirkland, London

Aspekte der Globalisierung treten hinzu. Der 1956 in Kinto M’Vuila / Demokratische Republik Kongo geborene Chéri Samba malt auf seine Arbeit: „Welche Zukunft hat unsere Kunst in einer Welt, in der die meisten lebenden Künstler unterdrückt werden? Die einzige Lösung ist, Anerkennung in Frankreich zu finden. Wer in Frankreich als Künstler anerkannt wird, findet wahrscheinlich ganz automatisch auf der ganzen Welt Anerkennung. Und wer Frankreich sagt, meint das Musée d’art moderne. Ja, aber … ist das Museum für  moderne Kunst nicht rassistisch?“

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Ausstellungsansicht: Chéri Samba, Quel avenir pour notre art? Triptychon 1/3 und 2/3, 1997, jeweils ca. 130 x 194 cm, Acryl, Glitter auf Leinwand, Courtesy C.A.A.C. – The Pigozzi Collection, Genf

Uns mangelt es bei dieser künstlerischen Institutionskritik freilich in manchem an Glaubwürdigkeit: Wo bleibt beispielsweise eine Schelte über denjenigen Teil des Kunstmarktes, der von der „Nachfrage“ neureicher wie banausischer Oligarchen zwielichtigen Reichtums lebt, die ihre Emissäre aussenden, nicht selten gegen Schwarzgeld-Bares das weltweit Teuerste an Kunst (oder besser gesagt was sie dafür halten) zu erwerben? Wo die Schelte über diejenigen Künstler, die sich, derartigen Marktoppunitäten willig andienend, entsprechend marktkonform verhalten und bei näherem Hinsehen Belangloses wie Unterwertiges unter dem Deckmantel Kunst vertreiben, dabei selbst zu Millionären werdend? Wo die Schelte über diejenigen Galerien und Auktionshäuser, die sich an einem solchem Marktbetrieb nicht nur die Hände wärmen, sondern ihn Hype auf Hype generierend im Jahres-, wenn nicht Monatsrhythmus strategisch preistreibend aufheizen? Was kann eine Ausstellung wie diese, letztendlich selbst Bestandteil des Kunstbetriebs, unter diesen Aspekten überhaupt leisten?

So kommen wir doch noch auf Piero Manzoni zurück, der 1961 die berühmten 90 durchnummerierten Konservendosen mit jeweils 30 Gramm seiner eigenen Exkremente verfüllte, viersprachig etikettierte  – wir bleiben hier höflicherweise und auf schwachnervige Leserinnen und Leser Rücksicht nehmend bei der italienischen Bezeichnung „Merda d’artista“ – und diese Dosen zum tagesaktuellen Preis von Gold gleichen Gewichts verkaufte. Alle 90 Exemplare wurden, teils von renommierten Galerien, Sammlungen und Museen, erworben, zum Preis von, soweit uns bekannt, bis zu 80.000 US-Dollar das Stück. Nun hat der früh im Alter von 30 Jahren verstorbene Künstler wohl nicht den ganz dicken Reibach mit seinem „Produkt“ gemacht, das fiel aber mit Sicherheit allerlei Kunsthändlern, Spekulanten, Galeristen und Auktionatoren gold- und dollarschwer auf die Füsse.

Uns hat einmal ein Frankfurter Museumsdirektor auf die Frage geantwortet, auf welche Weise man ein finanziell erfolgreicher Künstler werden könne: Indem man sich in einem entsprechenden gesellschaftlichen Umfeld etabliert. So wird es wohl sein.

Die Ausstellung ist ein Muss für alle, die sich mit Glanz und Elend des Kunstbetriebs auseinandersetzen wollen. Nehmen Sie, liebe Leserinnen und Leser, Ihren Weg auf den Römerberg; die Krawatte können Sie dabei gerne zu Hause und auch das Kleine Schwarze im Kleiderschrank lassen. Es geht durchaus zwanglos zu in der aktuellen Ausstellungswerkstatt der Frankfurter SCHIRN Kunsthalle.

Bildnachweis: SCHIRN Kunsthalle Frankfurt; © bei den jeweiligen Künstlern; Fotos: FeuilletonFrankfurt


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