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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Frankfurter Heussenstamm-Stiftung und die Heussenstamm-Galerie

Frankfurt am Main ist – mit über 450 Stiftungen – die “Stiftungshauptstadt” Deutschlands. In vielen Städten und Residenzen – denken wir in Hessen beispielsweise an Darmstadt oder Kassel – hinterliessen einstige Herrschergeschlechter Schlösser und Parkanlagen, Kunstschätze und gemeinnützige Einrichtungen. In Frankfurt waren es überwiegend die Bürgerinnen und Bürger, die, mit Grossherzigkeit und von Verantwortungsgefühl für das Gemeinwesen getragen, bereits seit der Zeit der Freien Reichsstadt im Wege von Stiftungen eine Fülle wichtiger kultureller und sozialer Institutionen schufen.

Die Heussenstamm-Stiftung liefert dafür ein eindrucksvolles Beispiel. 1912 verfügte Carl Jacob Moritz Heussenstamm testamentarisch die Gründung einer städtischen “Heussenstamm’schen Stiftung” mit den beiden Aufgabenbereichen: „Unterstützung von bedürftigen Personen (Frankfurter Bürger)“ und „Förderung von Künstlern und geistigen Arbeitern“. 1935 wurden das “Frankfurter Hilfswerk des Oberbürgermeisters”, 1939 die “Heimarbeiter-Stiftung” und 1941 die “Peter-Wilhelm-Miller-Stiftung” in die Heussenstamm’sche-Stiftung eingegliedert.

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Carl Jakob Moritz Heussenstamm (1835 bis 1913), Rechtsanwalt, Stadtverordneter (1873 bis 1880), Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung (bis 1880), Zweiter Bürgermeister von Frankfurt am Main (1880 bis 1899), Gründer der Heussenstamm-Stiftung (Bildnachweis: Heussenstamm-Galerie)

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm 1946 der Frankfurter Oberbürgermeister Kurt Blaum den Vorsitz der Heussenstamm’schen Stiftung. Prominente, dem Gemeinwohl verpflichtete Frankfurter Bürgerinnen und Bürger engagierten sich als Mitglieder des Stiftungsrats. 1949 wurde die für soziale, geistige und künstlerische Zwecke eingerichtete “Dr. med. Ernst-Asch-Stiftung” samt der in sie integrierten “Wilhelm- und Mary-Hill-Stiftung” – beides jüdische Einrichtungen – eingegliedert. Die Heussenstamm’sche Stiftung gab sich eine Satzung.

1963 wurde Christine Mumm von Schwarzenstein Geschäftsführerin der Stiftung. Sie organisierte alsbald erste Ausstellungen von Frankfurter Künstlern in den damaligen Räumen in der Domstrasse. Die Stiftung vergab erstmals ihren „Studienfahrtenpreis“ an zwei Frankfurter Künstler. Es folgte eine erste Kunst-Studienreise nach Berlin. 1968 zog die Stiftung in die Frankfurter Rahmhofstrasse. Sie bezog in den folgenden Jahren verschiedene wechselnde Domizile, bis sie schliesslich im Jahr 2005 mit ihrer Galerie und ihren sozialen Aktivitäten ihren heutigen Sitz in der Frankfurter Kunst- und Kulturmeile Braubachstrasse fand.

Seit 1972 hat der jeweilige Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main den Vorsitz des Stiftungsvorstands inne. Zur Struktur der Stiftung gehört neben dem Vorstand und der Geschäftsführung eine Jury, die die Künstler für die wechselnden Ausstellungen auswählt.

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Dagmar Priepke, Geschäftsführerin und Stellvertretende Vorsitzende des Stiftungsvorstands (Foto: FeuilletonFrankfurt)

Anfang April 2008 übernahm Dagmar Priepke von Roswitha Girst die Aufgaben der Geschäftsführerin und stellvertretenden Vorsitzenden des Stiftungsvorstands. Bald darauf setzten Vorstand und Geschäftsführung im Zuge einer umfassenden Evaluierung der bisherigen Tätigkeiten von Stiftung und Galerie eine Reihe neuer Akzente und Prioritäten für die künftige Arbeit. Mit dieser Neuausrichtung wollen sie dem gesellschaftlichen Wandel und den damit verbundenen veränderten Anforderungen an ein zeitgerechtes Management der beiden recht unterschiedlichen satzungsmässigen Aufgaben der Stiftung – Unterstützung Bedürftiger einerseits sowie Künstlerförderung andererseits – Rechnung tragen.

heussenstamm_galerie-a Die Heussenstamm-Galerie

Die Heussenstamm-Stiftung nimmt die Künstlerförderung in erster Linie mit ihrer Galerie wahr. Ferner unterstützt sie Künstlerinnen und Künstler beispielsweise mittels Materialstipendien.

Die Heussenstamm-Galerie stellt ihre Räume ausgewählten Künstlern zur Verfügung. Diese sollten durch Geburt, Wohnsitz oder Ausbildung mit Frankfurt am Main oder der Rhein-Main-Region verbunden sein und über eine abgeschlossene Ausbildung an einer Kunsthochschule verfügen. Bei ihren Entscheidungen über die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler bewertet die Jury die jeweilige künstlerische Entwicklung der Bewerber sowie deren Eigenständigkeit und Authentizität in ihren künstlerischen Positionen. Vorgestellt werden Arbeiten aller Gattungen beziehungsweise Arten der bildenden Künste: Malerei, Grafik und Skulptur, Fotografie, Film- und Videokunst, Installationen und Cross-Over.

Die Ausstellungen haben zumeist eine Laufzeit von rund sechs Wochen. Die Galerie betreut die Ausstellungen organisatorisch und übernimmt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ferner bemüht sie sich um Sponsoren für die anfallenden Kosten. Die Vernissagen finden jeweils an einem Dienstag statt.

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Ausstellung „REGALE GLOBALE“ August/September 2008 (Bildnachweis: Heussenstamm-Galerie)

Die Heussenstamm-Galerie sieht sich in ihrem galeristischen Umfeld, namentlich in der Frankfurter Braubachstrasse und der angrenzenden Fahrgasse, nicht in einer unternehmerischen, wohl aber in einer dem Qualitätsanspruch verpflichteten Konkurrenz zu den benachbarten kommerziellen Galerien. Der Verkauf steht deshalb auch nicht im Mittelpunkt der Ausstellungsaktivitäten, wenngleich der Verkauf einer Arbeit für einen Künstler immer auch ein Stück Anerkennung, Wertschätzung und Erfolg bedeutet.

Ein zentrales Anliegen von Stiftungsvorstand und Geschäftsführung ist es, verstärkt auch junge Menschen, sei es als Künstler, sei es als Publikum, an die Arbeit der Galerie heranzuführen. So versteht sich die Galerie als ein Element eines übergreifenden Bildungsauftrags mit einer künftig eigens ausgeprägten Galeriepädagogik. Im Zusammenhang damit steht auch eine Revision des Internetauftritts der Galerie.

Zum anderen gilt es, wie Dagmar Priepke erläutert, dem bereits erwähnten gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen, der sich in einer Stadt wie Frankfurt am Main unter anderem in einer erheblichen Fluktuation innerhalb der Bevölkerung widerspiegelt. Dem soll mit der Strategie einer institutionellen Vernetzung begegnet werden. So will die Galerie künftig verstärkt die Kooperation mit geeigneten Einrichtungen suchen, vor allem mit der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und der Frankfurter Hochschule für Bildende Künste, der Städelschule. Zur Präsentation künstlerischer Werke arbeitet sie beispielsweise mit dem CCB Herzwerk zusammen, einem von Kardiologen gegründeten medizinischen Zentrum für gesundheitsbetontes sportliches Training. Für Ende 2009 ist eine Zusammenarbeit mit den Praunheimer Werkstätten in Frankfurt am Main geplant. Ziel einer solchen Neupositionierung, die die Stiftungszwecke der Sozialarbeit wie auch der Künstlerförderung im Idealfall vereint, ist eine Galerie, die sich als ein Teil des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens in Frankfurt am Main wie auch im umgebenden Rhein-Main-Gebiet versteht.

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Werbung für die „Künstlerküche“

In Zuge dieser Strategie will die Galerie die Idee der „Künstlerküche“ der 1920er / 1930er Jahre wieder aufgreifen. War es zunächst auch ein Anliegen der Stiftung, notleidende  Künstler mit Essen zu versorgen, so wuchs die „Künstlerküche“ schnell über diesen Zweck hinaus: Schon bald bildete sich ein Kreis von aufstrebenden, talentierten Menschen, die zum Mittagstisch in der „Künstlerküche“ kamen, unter ihnen Journalisten, Architekten, Schauspieler, Sänger und Studenten der Städelschule. Der Geist, die Phantasie und die Schaffenskraft dieser unterschiedlichen Persönlichkeiten, die sich regelmäßig in der „Künstlerküche“ versammelten und austauschten, machten damals die Einrichtung schnell zu einem Zentrum der Kommunikation und zu einem Treffpunkt für die Kreativen der Stadt.

Von Mitte Juli an bis voraussichtlich Ende September 2009 wird die Heussenstamm-Galerie wegen unter anderem brandschutztechnischer Umbaumassnahmen schliessen müssen.

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Ausstellungseröffnung in der Heussenstamm-Galerie am 5. Mai 2009 mit den Künstlern Costa Bernstein und Max Weinberg, rechts Susanne Kujer vom Frankfurter Kulturamt (Foto: FeuilletonFrankfurt)


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