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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Hermann Haindl

Das Herz, die Seele und die Bäume

„Für mich sind Bäume die Krönung der Schöpfung.“
Hermann Haindl

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Hermann Haindl in seinem Wohnhaus (Foto: FeuilletonFrankfurt)

Es wächst und wuchert, üppig voll von Lebenssaft, es strebt in die Höhe und in die Breite, es kommt auf uns zu und greift nach uns – das Es ist die grossartige, gewaltige – aber nie gewalttätige – Kraft in Hermann Haindls Bildern. Die Kraft aus Farben und Formen strömt aus den Gemälden heraus, erfüllt den Raum, umgibt uns. Ihr entziehen können wir uns nicht – und wollen es auch nicht.

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Es ist die Natur, die Haindl fasziniert, der er sich verbunden fühlt, als deren Teil er sich begreift, Jahrtausende, Jahrmillionen haben sie geformt, in ihrer urwüchsigen Gestalt, wie sie sich in besonderer Weise in Bäumen manifestiert. Bäume haben es Hermann Haindl seit jeher angetan. Fünfhundert, eintausend, fünftausend und mehr Jahre sind sie alt, wer könnte es zählen, zerklüftet und zernarbt, zerzaust und gespalten von Sonne und Regen, Erdbeben, Blitz und Donner, und doch voll nicht aufgeben wollenden Lebens. Und es sind besonders die Olivenhaine der Toskana, die Haindl verehrt.

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„Eine Baumkathedrale – tausendjährige Olive in der Toskana“ (2001)

„Was wäre der Mensch ohne Bäume – jene Naturgebilde, die schon lange vor ihm waren, die seinen Entwicklungsweg über weite Zeiträume hin nährend, schützend, fördernd begleitet haben und die nach dem biblischen Mythos vom Baum der Erkenntnis auch zu Zeugen seines Bewusstseinssprungs aus der Tierheit wurden … Zeichenhaft spiegelt der Baum nicht nur das physische, sondern auch das metaphysische Sein des Menschen“, schreibt Peter Cornelius Mayer-Tasch.

Haindl hat sie gezeichnet, „Baumpersönlichkeiten“ nennt er sie alle: die alte Buche im Kronberger Park, die alte Robinie im Hofheimer Wald, die alte Eiche im Reinhardswald, die alten Linden in Frauenstein, Dieburg, Kiew, die wohl fünftausend Jahre alte Grannenkiefer in Californien, die tausendjährigen Oliven in der Toskana … Er begegnet ihnen mit grosser Ehrfurcht. „Im Alter sind Menschen und Bäume einander ähnlich, denn in ihren Leibern zeichnen sich die Erfahrungen des Lebens“ schreibt er.

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Haindl schaut auf sein oft genug von tödlicher Gefahr begleitetes Leben als eine Summe geglückter Erfahrungen, ein Leben als Geschenk. Er schaut mit Augen, die noch immer jung sind, die auf das Nächste blicken, neugierig Neues erwarten, die bevorstehende Reise in die geliebte Toskana etwa, eine weitere Ausstellung, den Besuch von Freunden und Gästen in seinem Haus und seinem Atelier, die nächste Veranstaltung des von ihm mit seiner Frau Erika gegründeten „Zentrums für altes und neues Wissen und Handeln“ in der Hofheimer „Scheune“, seinem früheren Atelier in der dortigen Bärengasse.

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Dominierte in Haindls Baum-Gemälden, von der Zeichnung her kommend, zunächst das Figurative, wenn auch in freier Farbgestaltung, so wandte er sich in der jüngeren Vergangenheit freien Kompositionen zu: Bildern, die Kraftfeldern gleichen, die die Vitalität der Bäume in einen „Choral tönender Farben“ (Friedhelm Häring) verwandeln. Bereits in diesen Bildern lässt sich eine Hinwendung zu Spektren erkennen, die, wie später vor allem die 78 mystischen Darstellungen seines weltweit berühmt gewordenen Haindl-Tarots, in den Bereich des Esoterischen weisen. Überhaupt spielen serielle Arbeiten eine grosse Rolle in Haindls Schaffen: neben der Zeichnungen-Serie „Baumpersönlichkeiten“ und besagtem Tarot-Deck beispielsweise die 37 Baumgemälde im Format 1 mal 2 Meter, die 39 Bach-Blüten, Gemälde zu den Blüten des englischen Arztes Edward Bach, die zwölf Monats-Bilder, mit zwölf Kurzgedichten von Eva Demski und zwölf Kompositionen für ein Streichtrio mit Klavier von Wolfgang Biersack zu einem Musikzyklus vereint.

Haindls aktuelle, mitunter surrealistisch anmutende Gemälde – stets malte und malt er in Öl auf Leinwand – tragen Bezeichnungen wie „Pesante“ und „Pastorale“, „Duetto“ und „Azurro“, „Allegro con brio“ oder „Fugato“. „Wir sind Teil eines Ganzen“ – diese alte indianische Weisheit ist für Haindl zum Leitsatz seines Lebens geworden. „In ihm finde ich alle Antworten, die ich brauche.“

Und noch eine Maxime seines Lebens gilt es festzuhalten: „Meine Frau Erika und ich“, sagt Haindl, „sind wie die beiden Pole einer Batterie. Ohne sie wäre ich nicht der, der ich bin.“

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„Aus den titanischen Baumriesen“, schreibt Friedhelm Häring, „aus den Baumpersönlichkeiten mit ihrem Wuchs und ihren Verletzungen, ihrer Geschichte und ihren Jahrtausenden gelebten Lebens hat Hermann Haindl alles verzaubert, zu farblichen Glücksseufzern, zum grossen Klang der Weisheit.“

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Im Wohnhaus von Hermann Haindl (Foto: FeuilletonFrankfurt)

Hermann Haindl, 1927 in Berlin in einer Künstlerfamilie geboren, begann am Kattowitzer Theater eine Lehre als Theatermaler und Bühnenbildner. Kriegsdienst und die fast vierjährige russische Kriegsgefangenschaft prägten nachhaltig seine Kunstvorstellungen und seine Lebenssicht. 1948 fand er zunächst in Berlin Arbeit als Reklamemaler. Wenig später zog er zu Verwandten nach Frankfurt am Main, wo er 1950 an den Städtischen Bühnen eine Tätigkeit als Theatermaler aufnahm. 1960 wurde er dort Leiter der Künstlerischen Werkstätten und Bühnenbildner – drei Jahrzehnte lang übte er diese Tätigkeit aus. Ferner arbeitete er als Bühnenbildner am Frankfurter Volkstheater. Gastaufführungen und -ausstattungen führten Haindl an grosse Theaterhäuser, unter anderem nach Athen, Barcelona, Florenz, London und Tel Aviv sowie an das Festspielhaus Bayreuth. Haindl lehrte an der Akademie für Bildende Künste Tel Aviv und der Theaterakademie Recklinghausen. Zum 25. Jahrestag der Gründung des Staates Israel schuf er als Auftragsarbeit  zwei 150 Meter lange Gemälde für die dortige offizielle Jubiläumsausstellung.

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Hermann Haindl in seinem heutigen Atelier (Foto: FeuilletonFrankfurt)

Nach der täglichen Theaterarbeit ging er seiner Leidenschaft, der privaten Malerei nach. Er reiste zu den Indianern Nordamerikas und nach Indien und liess sich von den Religionen und Mythologien dieser Kulturen beeinflussen. Schon 1962 gründete Haindl mit Freunden die Künstlervereinigung „Hofheimer Gruppe“. Grosse Verdienste erwarb sich Haindl um die Erhaltung und Sanierung der Hofheimer Altstadt: 1979 erhielt er dafür den Deutschen Preis für Denkmalschutz, 1985 den Kulturpreis der Stadt Hofheim.

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Ernst-Dietrich Haberland, Vorsitzender des Frankfurter Künstlerclubs, und Hermann Haindl im ehemaligem Atelier, der heutigen Hofheimer „Scheune“ (Foto: FeuilletonFrankfurt)

Noch bis zum 5. April 2009 stellt der Frankfurter Künstlerclub im Nebbienschen Gartenhaus Arbeiten von Hermann Haindl und dem ukrainischen Maler Petro Lebedynets, einem engen Freund Haindls, aus. Für ihre Zusammenarbeit fanden die beiden Künstler, die sich 2005 in Kiew kennengelernt hatten, das Motto: „Frieden braucht Freundschaften“.

(Bildnachweis, sofern nicht anders gekennzeichnet:  © Hermann Haindl, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers)


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