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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Hans-Ludwig Wucher

Der Monet von Frankfurt

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Von Erhard Metz

Bilder – wohin man blickt. Wir befinden uns mit Ernst-Dietrich Haberland, dem Vorsitzenden des Frankfurter Künstlerclubs, in der Eschersheimer Atelier-Wohnung von Hans-Ludwig Wucher. Die für die Ausstellung im Nebbienschen Gartenhaus ausgewählten Objekte stehen an den Wänden entlang, aber nicht nur diese. Genug andere noch sind dort aufgereiht, und auch die Wände sind behängt mit Wuchers Arbeiten. Landschaften sind es, aber auch Porträts, Stillleben und feinst ausgeführte Zeichnungen. Eine Auswahl fällt schwer, eigentlich ist sie ungerecht. Aber der Ausstellungsraum ist begrenzt.

82 Jahre alt wird Hans-Ludwig Wucher in diesen Tagen. Aber nicht nur aus diesem Anlass eröffnete Haberland am vergangenen Sonntag die besagte Ausstellung mit 32 Arbeiten des Künstlers im von Besuchern der Vernissage fast überfüllten Nebbienschen Gartenhaus, dem Domizil des Künstlerclubs. Was die beiden besonders freute: Viele ehemalige Schüler und Weggefährten hatten sich eingefunden, um den verehrten Meister wiederzusehen.

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(Privatbesitz)

Ein Meister seines Metiers ist er wahrlich. Er selbst bezeichnet sich lieber als „Kunstmaler“ statt als Künstler. „Vorausetzung einer guten Arbeit ist“, betont er nämlich stets, „dass ein Maler sein Handwerk erlernt hat und es beherrscht“. Ausserdem gehörten zu den verschiedenen, im akademischen Betrieb vermittelten Techniken des Zeichnens und Malens viel Fleiss und ebenso viel Disziplin. Wucher verfügt über beides.

Hans-Ludwig Wucher, Ende April 1926 in Frankfurt am Main geboren, malte bereits als Kind und fühlte sich von Anfang an zu einem künstlerischen Leben berufen. Noch keine siebzehn Jahre alt (dem damaligen Mindestalter für die Aufnahme in die Städelschule) und Volontär im Liebieghaus, entdeckte ihn ein Akademieprofessor und nahm ihn sofort mit in die laufenden Aufnahmeprüfungen, die er mit Auszeichnung bestand. So wurde er der jüngste Schüler der renommierten Städelschule. Noch in den letzten Kriegstagen wurde er zum Wehrdienst eingezogen und nach Lettland verbracht. Nach seiner Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft liess Wucher sich als freier Maler sowie als Dozent für Malerei, Zeichnung und Kunstgeschichte in seiner Heimatstadt nieder.

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Nidda bei Rödelheim

In seinem umfangreichen malerischen und zeichnerischen Œuvre dominieren die Landschaften, wir finden aber auch Genreszenen: Strässchen und Gassen, Türen und Tore, alte, verwinkelte Häuser, ein Blick auf ein Dörfchen – oder aber auch den Blick vom Taunus über Kronberg auf Frankfurt, in seinen Zeichnungen Studien aller Art. Er liebt und er malte die nahe seiner Wohnung im Frankfurter Norden gelegenen Nidda-Auen, wo ein frühlingshaftes oder sommerliches Grün – Freunde und Schüler nennen es das „Wucher-Grün“ – dominieren, aber auch dort flimmert das reflektierte Licht, fallen bläuliche Schatten über Wiesen und Fluss, spielen Boote auf dem sich vom leisen Wind kräuselnden, glitzernden Wasser. Schon in diesen Bildern fühlen wir das, was Wucher ein Leben lang inspirierte: die französischen Landschaften, namentlich die der Provence. Sie sind die grosse Liebe und Leidenschaft des Malers.

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Nidda bei Eschersheim

Es ist das unverwechselbare und unvergleichliche Licht der Provence, dem sich Generationen von Malern verschrieben haben und das auch heute Künstler aus aller Welt in den Bann zieht. Das Licht, das an der Wiege auch des Impressionismus stand. So kann es nicht verwundern, dass Wucher – wie viele andere Künstler auch – diesem Licht folgten und es in ihren Bildern künstlerisch umsetzten. Und es kann ebenso wenig verwundern, dass Wucher nicht anders konnte, als das Gesehene und Erlebte ebenfalls in einem impressionistischen Sinne festzuhalten.

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Schloss in Le Tholonet

Sein grosses Vorbild war der im Dezember 1926 (Wuchers Geburtsjahr) verstorbene Claude Monet und dessen früher Realismus und Impressionismus. Monet wurde zu seinem Idol, Giverny, wo sich Monet niedergelasssen hatte und auch verstarb, zu seinem Wallfahrtsort. In Wuchers Atelier-Wohnung hängen als ein grosses Triptychon drei jener Seerosen-Bilder, wie sie auf den ersten Blick auch von Monet hätten gemalt sein können. Hans-Ludwig Wucher hat sie seinen eigenen Empfindungen gemäss ausgeführt, und es wäre gänzlich verfehlt, ihm ein gleichsam kopistisches Arbeiten nachsagen zu wollen. Zwar hätte er, mit seinen umfassenden malerischen Möglichkeiten, Monet und auch andere Impressionisten durchaus kopieren können, aber er tat es nie. Nein, Wucher malte stets aus eigener innerer Überzeugung und eigenem künstlerischen Gestaltungswillen. Was ihm aber den Ruhm eines „Monet von Frankfurt“ eintrug – er selbst spricht in grosser Bescheidenheit und Ehrfurcht vor seinem Idol lieber von einem „Spitznamen“.

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Ölmühle in Le Tholonet

Wucher versetzt uns mit seiner Malerei in die Provence, in kleine Ortschaften wie Ansouis oder Le Tholonet, auf den Cours Mirabeau in Aix-en-Provence. Wir spüren die flimmrige Hitze unter steiler Sonne à midi, den Duft der einzigartigen provencalischen Kräuter, die Wärme der Steine schattenspendender Gemäuer, den kraftvollen Stoss des Mistral – und Ernst-Dietrich Haberland erzählt zur Vernissage von einer der vielen gemeinsamen Mal-Exkursionen, als der Mistral Wuchers Leinwand samt Staffelei emporschleuderte, Wucher beides entschlossen festhielt, dabei selbst vom Boden abhob und Haberland ihn an den Beinen ergriff und vor dem Sturz in die benachbarte Senke bewahrte.

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Das Plateau

Hans-Ludwig Wucher ist der klassische Plein-air-Maler: Seine Landschaften und Genreszenen malte er ausschliesslich unter freiem Himmel. Hier kam ihm seine grosse Disziplin zustatten: am nächsten Tag an genau dem gleichen Ort zu genau der gleichen Uhrzeit zu stehen, um eine gestern begonnene Arbeit unter identischen Lichtbedingungen fortzuführen. Diese Disziplin verlangte er auch seinen zahlreichen Schülerinnen und Schülern ab – die ihm seinerzeit sicherlich nur unter manchen Seufzern gefolgt sein mögen. So striezte er sie unter der gleissenden südlichen Sonne mit den Worten „Man sucht sein Motiv nicht nach dem Platz im Schatten aus“.

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Häuser in Moret-sur-Loing

In vergleichbarer Weise beeindruckten und befruchteten ihn die Landschaften und Stillleben eines Paul Cézanne, und wir finden viele ausserordentlich schöne Arbeiten Wuchers, die uns an diese grossartige, eine Ausnahmestellung beanspruchende Malerpersönlichkeit erinnern.

Es mag der Souveränität seines malerischen Schaffens zu verdanken sein, dass Wucher immer wieder die Zeit fand, sich gesellschaftlicher und kulturpolitischer Aufgaben anzunehmen: So war er über sechs Jahre hinweg Vorsitzender des Berufsverbands Bildender Künstler. 1977 trat er in den Frankfurter Künstlerclub ein. Von 1977 bis 1984 war er Mitglied der Société des Artistes Français und deren Korrespondent für die Bundesrepublik Deutschland. Er initiierte die erste Ausstellung zeitgenössischer französischer Künstler in der Wandelhalle der Frankfurter Paulskirche. Für sein malerisches Werk – und seine Verdienste um die deutsch-französische Zusammenarbeit auf diesem Gebiet – erhielt er 1978 die Goldmedaille des Salon Grand Palais de Paris. Er ist Träger des Studienfahrtenpreises der Frankfurter Heussenstamm-Stiftung. Die Anzahl seiner Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland und in Frankreich lässt sich ebenso wenig mehr überschauen wie die Zahl seiner Sammler. Und doch verzichtete Wucher stets auf das, was man Öffentlichkeitsarbeit nennt – er hatte es nie und er hat es bis heute nicht nötig.

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Brunnen auf dem Cours Mirabeau

Kaum mehr bekannt ist schliesslich, das Wucher in den 1950er und 1960er Jahren zahlreiche Filmplakate schuf – in der Form- und Bildsprache der damaligen Jahrzehnte. Die Entwürfe hat er dem Deutschen Filmmuseum in Frankfurt übergeben – einige sind in der aktuellen Ausstellung im Nebbienschen Gartenhaus zu sehen.

Hans-Ludwig Wucher – ein grosser Frankfurter Maler und Zeichner, ein hochverehrter Lehrmeister einer Generation von Künstlerinnen und Künstlern, ein Künstler-Gentleman und ein Botschafter des deutsch-französischen Kulturaustauschs – wir übermitteln ihm zum neuen Lebensjahr und darüber hinaus unsere herzlichen Grüsse und Wünsche!

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Felsen bei Aix-en-Provence

Frankfurter Künstlerclub im Nebbienschen Gartenhaus, Bockenheimer Anlage gegenüber dem Hilton-Hotel; www.frankfurter-kuenstlerclub.de

(Fotografie: Nachweis Familie Wucher; abgebildete Gemälde Öl auf Leinwand in verschiedenen Formaten; Bildnachweis: Frankfurter Künstlerclub © Hans-Ludwig Wucher)

3 Kommentare zu “Hans-Ludwig Wucher”

  1. claudine Leveuf
    4. Oktober 2008 14:10
    1

    Bonjour,
    Je vous remercie de me donner des nouvelles de cet artiste, ami, que j’ai rencontré plusieurs été durant, au THOLONET.
    Cordialement,
    claudine.leveuf@orange.fr

  2. Erhard Metz
    16. Mai 2009 09:39
    2

    Hallo Herr Momberg, die Tochter des Künstlers, Gabi Wucher, wird Ihnen antworten.

  3. levy laurence
    12. März 2010 10:11
    3

    Guten tag, bonjour !
    Je m‘ appelle Laurence Levy et j‘ ai séjourné chez monsieur et madame Wucher à l‘ occasion d‘ un échange linguistique avec leur fille Gabi. J ‚avais beaucoup admiré les tableaux „sur les chemins de Cezanne“ et serait aussi ravie de recontacter Gabi pour savoir ce qu‘ elle devient .
    A biantôt j‘ espère!