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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Sechs Suiten und Konzerte für Orchester von Johann Christoph Pez

Ein neuer musikalischer Leckerbissen auf
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Johann Christoph Pez (nicht zu verwechseln mit dem 1639 in Glatz geborenen und 1694 in Bautzen verstorbenen Musiker und Komponisten Johann Christoph Pezel) kam 1664 in München zur Welt. Pez wurde bereits als Knabe in den Fächern Laute, Gambe und Gesang ausgebildet und war ab 1676 zunächst Turmbläser, anschliessend Kantor an der Kirche St. Peter in München. 1688 berief ihn der bayerische Kurfürst Maximilian II. Emanuel zum Musiker an seinen Hof. Er ermöglichte Pez in den Jahren 1689 bis 1692 ein Studium in Rom.

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Residenz München, Bildnachweis: Gryffindor/wikimedia commons

1694 wechselte Pez in die Dienste des Kurfürsten zu Köln mit dem Auftrag nach Bonn, die dortige kurfürstliche Kapelle zu reformieren. 1695 ernannte ihn der Kölner Kurfürst zum Kapellmeister und verlieh ihm den Titel eines kurfürstlichen Rates. 1701 kehrte Pez nach München zurück, wo er bis 1706 als Musiker an der Hofkapelle wirkte. Anschliessend trat er in die Dienste des Herzogs von Württemberg ein. Er bekleidete die Stelle eines Oberkapellmeisters in Stuttgart, wo er 1716 starb.

AltesSchlossStuttgart

Altes Schloss in Stuttgart, Bildnachweis: BuzzWoof/wikimedia commons

Wie viele Musiker und Komponisten seiner Zeit pflegte auch Pez in seinen Kompositionen den so genannten französischen Stil: Man zählte ihn deshalb zu den sogenannten Lullysten, die den grossen französischen Komponisten Jean-Baptiste Lully (1632 bis 1687) zum Vorbild hatten. Kein geringerer als Georg Philipp Telemann nannte Pez in einem Zusammenhang mit Komponisten wie Georg Friedrich Händel.

Peter van Heyghen schreibt über Johann Christoph Pez: „Ab und zu geschieht es offenbar noch immer, dass musikalische Perlen aus der Vergangenheit, die jahrhundertelang unter dem Schleier der Geschichte verborgen blieben, wiederentdeckt werden. Dies ist zweifellos mit den Concerti und Ouvertüren von Johann Christoph Pez der Fall. In seinen Concerti und Ouvertüren zeigt Pez, dass er zu viel mehr fähig war, als sich nur die Kompositionsstile seiner berühmteren Zeitgenossen zu eigen zu machen. Seine bemerkenswerte Persönlichkeit entfaltet sich besonders in der großen dramatischen Kraft seiner französischen Ouvertüren, die eines Keisers oder frühen Händels würdig sind; in seiner sublimen Verbindung von französischen und italienischen Stilelementen, mit der er seines deutschen Zeit- und Stilgenossen Muffat wenigstens ebenbürtig scheint; und in seiner scheinbar unerschöpflichen melodischen Intensität, der nach seinem Tod in Deutschland nur eine Größe wie Telemann gleichkam. Alles in allem ist Johann Christoph Pez nicht einfach einer von vielen möglichen Komponisten, der nun um der Originalität Willen ‚vom Staube befreit‘ wird: sein Oeuvre ist zweifellos von viel größerer Bedeutung als bisher allgemein anerkannt, und seine Concerti und Ouvertüren bilden hiervon wenn vielleicht nicht den wichtigsten, so doch den abwechslungsreichsten und attraktivsten Teil.“

Das Ensemble Les Muffatti entstand aus dem Bestreben junger Brüsseler Musiker, eine professionelle Arbeitsgemeinschaft mit Schwerpunkt auf der Ausführung von barockem Orchesterrepertoire zu schaffen, in der elementare Spielfreude, handwerkliche Verfeinerung und inhaltliche Vertiefung gleichermaßen Aufmerksamkeit finden sollen. Ihr Enthusiasmus, ihr persönlicher Einsatz und Idealismus fanden ein Echo bei dem Barockspezialisten Peter van Heyghen, der zum festen Dirigenten und Coach des Orchesters wurde. Seit dem Debütkonzert im Juni 2004 in Brüssel spielte das Orchester in Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland, Italien und Portugal. Es wurde bereits wiederholt ins Concertgebouw Brügge, auf das Festival Musica Sacra in Maastricht und auf die renommierten Festivals in Brügge und Utrecht eingeladen.

Der Name des Ensembles gründet auf den kosmopolitischen Komponisten Georg Muffat (1653 bis 1704), der in der Musikgeschichte eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des Orchesters einnimmt und der als einer der ersten die Unterschiede zwischen den französischen und italienischen Musikstilen und deren Aufführungspraxis theoretisch untersuchte und miteinander verband.

In seiner Aufführungspraxis strebt das Ensemble nach der perfekten Beherrschung einer musikalischen Gestik, die vollständig auf dem Prinzip der jeglicher barocken Kunst wesentlichen und inhärenten Theatralität aufbaut. Seine Zielsetzung reicht weit über die bloss „korrekte“ Ausführung einer Partitur hinaus. Das Ensemble ist davon überzeugt, dass diese auf Affektenlehre und Rhetorik gegründete Sprache von Gestik und Theatralität nicht nur ein unumgehbares Charakteristikum barocker Ästhetik ist, sondern einen eigenen, essentiellen und universellen Charakter besitzt. Eingehende Stilkenntnis, die Beherrschung angepasster Spieltechniken und die sorgfältige Wahl passender Instrumente sind für Les Muffatti unverzichtbare Mittel, um ein barockes Repertoire dem heutigen Hörer in unterhaltsamer, anrührender und überzeugender Weise nahezubringen.

Peter van Heyghen studierte Blockflöte und Gesang am Konservatorium in Gent. Er entwickelte sich zu einem international anerkannten Spezialisten für Historische Aufführungspraxis von Barock- und Renaissancemusik. Er konzertiert weltweit als Solist, mit dem Blockflöten-Consort Mezzaluna, dem Kammermusikensemble More Maiorum und als Ko-Leiter des niederländischen Vokalensembles Cappella Pratensis. Van Heyghen ist regelmäßig auf verschiedenen Festivals für Alte Musik zu Gast, so zum Beispiel in Brügge, Antwerpen, Utrecht und St. Petersburg. Im Jahre 2005 wurde er zum „Festivalstar“ des Brügger Musica Antiqua Festivals gekürt. Ab 2007 ist er für drei Jahre mit seinen Ensembles Artist in Residence im Zentrum für Alte Musik Augustinus in Antwerpen.

Peter van Heyghen ist ausserdem als Musikwissenschaftler, Publizist und Lehrer aktiv. Er unterrichtet Historische Aufführungspraxis an den Königlichen Konservatorien in Den Haag und Brüssel und gibt regelmässig Meisterkurse, Workshops und Gastvorlesungen im In- und Ausland. In den letzten Jahren trat er zunehmend als Dirigent und Lehrer auf dem Gebiet der Barockoper auf. Er ist eingeladen, im Februar 2009 am Badischen Staatstheater Karlsruhe die künstlerische Ko-Leitung für die Produktion der Händel-Oper Radamisto zu übernehmen.

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